Wenn sich endlich die Winterwolken verzogen haben, die ersten Sonnenstrahlen den Himmel erhellen und die winterlichen Grippeviren mit ihren Infektionskrankheiten verschwunden sind, dann warten im Frühjahr jeden Jahres schon neue Herausforderungen für unser Gesundheitssystem: die Allergien.
Die Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA 2019/2020-EHIS) hat für den Befragungszeitraum zwischen April 2019 und September 2020 ergeben, dass die 12-Monats-Prävalenz von Allergien unter Frauen in Deutschland bei durchschnittlich 34,7 Prozent lag. Männer gaben zu 27 Prozent an, in den letzten zwölf Monaten unter einer Allergie gelitten zu haben. Unter Prävalenz versteht man die Anzahl der im vorangegangenen Zeitraum aufgetretenen Fälle.
Das bedeutet, dass etwa 25 Prozent aller Deutschen unter einer Allergie leiden. Die Symptome sind vielen Menschen bekannt: laufende Nase, zugeschwollene Nase, Augen tränen und jucken, Jucken im Gaumen, Abgeschlagenheit, Erschöpfung. Die schulischen Leistungen von Kindern mit Allergien sind nachweislich schlechter und auch die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz sinkt.
Jede Allergie ist eine Reaktion des Immunsystems auf einen Kontakt mit Fremdstoffen. Da wir kontinuierlich mit Fremdstoffen in Kontakt kommen, bedarf es aber einer bestimmten Veranlagung, damit es zur allergischen Reaktion kommt. Ein Beispiel: Wenn Menschen mit einer Veranlagung für Allergien z. B. Blütenstaub inhalieren, dann kommt es zur Entwicklung einer bestimmten Antikörpergruppe IgE, die sich spezifisch gegen bestimmte Eiweißkörper genau dieser Pollen richten. Menschen, die nicht zu Allergien neigen, produzieren beim Kontakt mit diesen Pollen zwar ebenfalls Antikörper, aber einerseits sind dies andere Antikörper und andererseits ist die Intensität der Immunantwort deutlich geringer. In der Evolution haben diese IgE-Antikörper vermutlich eine wichtige Rolle als Träger der Immunität gegen Parasiten gespielt. Heute gilt als sicher, dass die Neigung zu Allergien erblich ist, dass also Kinder, die aus Allergikerfamilien stammen, ein bedeutend höheres Allergierisiko haben. Aber auch nicht genetische Faktoren wie virale Infektionen, Allergenvorkommen in der Umwelt oder hormonelle Einflüsse spielen eine Rolle.
Bei der allergischen Rhinitis (AR, auch allergischer Schnupfen genannt) handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung der Nasenschleimhaut und der oberen Luftwege durch allergieauslösende Stoffe (Allergene). Die AR ist eine häufige und weltweit offensichtlich zunehmende Erkrankung, von der ca. 25 Prozent der Bevölkerung in Deutschland betroffen sind. Die Patienten leiden unter lästigen Symptomen wie verstopfter, juckender oder laufender Nase und sind zu einem hohen Prozentsatz in ihrer täglichen Aktivität und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Die Erkrankung tritt häufig schon im Kindesalter auf, wobei etwa jedes zehnte Kind betroffen ist. Es gibt Hinweise, dass eine unbehandelte Rhinitis häufig über den sogenannten Etagenwechsel in allergisches Asthma übergeht.
Die AR und ihre Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) verursachen enorme Kosten im Gesundheitswesen. Die Ausgaben der ambulanten Versorgung für die AR 1996 werden auf 75 Millionen DM geschätzt. Es sind vor allem die direkten Kosten durch Medikamente. Hierbei gibt das Statistische Bundesamt 1996 Kosten in Höhe von 350 Millionen DM für Antiallergika an, was ca. 75 Prozent der Gesamtausgaben für AR ausmacht. Bei den indirekten Kosten sind die Kosten durch Arbeitsunfähigkeit erheblich, 29 Millionen DM für 1996. Die Gesamtkosten der AR (direkte und indirekte Kosten) werden 1996 insgesamt in Höhe von 467 Millionen DM angegeben. Für das Jahr 2000 wurden die Kosten im Gesundheitswesen für Deutschland auf ca. 240 Millionen Euro geschätzt.
Der Heuschnupfen ist eine allergisch bedingte Erkrankung der Nasenschleimhaut und der Augen, die durch eine IgE-vermittelte Entzündungsreaktion entsteht. Er zählt zu den Allergien vom Soforttyp (Typ I), da die allergische Reaktion sofort, also innerhalb von Sekunden oder Minuten, stattfindet.
Schnelle Hilfe bei einer beeinträchtigten Nasenatmung bieten Nasensprays. So enthalten Antihistamin-Nasensprays Antihistaminika, die helfen können, die Verstopfung der Nase, den Juckreiz und das Laufen der Nase zu reduzieren. Kortikosteroid-Nasensprays enthalten entzündungshemmende Steroide, die die Entzündung in der Nase reduzieren und die allergischen Symptome lindern können. Kortikosteroid-Nasensprays werden oft zur langfristigen Behandlung von Allergien eingesetzt. Nasentropfen mit abschwellender Wirkung enthalten in der Regel Wirkstoffe wie Xylometazolin oder Oxymetazolin, die die Blutgefäße in der Nase verengen und so die Schwellung und verstopfte Nase reduzieren. Letztere sollten aber wegen der Gefahr der „Nasenspray-Abhängigkeit“ nur für einen kurzen Zeitraum eingenommen werden, da nach zu langer Anwendung nach dem Absetzen des Sprays eine verstärkte Nasenverstopfung auftritt. Dies kann zu einem Teufelskreis führen, bei dem die Verwendung des Sprays zur Linderung der Verstopfung führt, aber langfristig die Verstopfung verschlimmert.
Die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) – auch unter der Bezeichnung spezifische Immuntherapie (SIT) oder Hypo- oder Desensibilisierung bekannt – ist die einzige ursächliche Behandlung der IgE-vermittelten, Typ I-allergischen Erkrankungen wie allergisches Rhinokonjunktivitis, allergisches Asthma bronchiale und anaphylaktische Reaktionen auf Insektengift („venom immunotherapy“, VIT). Sie wird entweder subkutan (SCIT) oder sublingual (SLIT) über in der Regel drei Jahre verabreicht. Die Prognose nach einer Hyposensibilisierung ist gut: Bei 90 Prozent der Patienten ist die Behandlung erfolgreich, und zwar anhaltend für bis zu zehn Jahre. Ziel der SIT ist es, durch die Verabreichung allmählich ansteigender Dosen des allergiebezogenen Allergenextrakts eine klinische Toleranz gegen die jeweiligen Allergene zu erreichen.
Der Grad der Beeinträchtigung der Nasenatmung durch Heuschnupfen hängt in erster Linie davon ab, wie stark der Heuschnupfen ausgeprägt ist. Aber auch körperliche Gegebenheiten spielen hier eine Rolle. Denn wenn die Nasenatmung z. B. durch eine sehr schiefe (deviierte) Nasenscheidewand, durch eine zusätzlich bestehende chronische Nasennebenhöhlenentzündung behindert wird und die Schwellkörper der Nase, die sogenannten Nasenmuscheln, zusätzlich krankhaft vergrößert sind, wirkt sich der Heuschnupfen unweigerlich schlimmer aus.
Die Nasenscheidewand ist die knorpelige und knöcherne Trennwand in der Mitte der Nase, die die Nasenhöhle in zwei Hälften teilt. Eine Verkrümmung der Nasenscheidewand ist sehr häufig und führt regelmäßig zur eingeschränkten Nasenatmung, chronischen Nasenverstopfung, Schnarchen, wiederkehrenden Nasennebenhöhlenentzündungen und oft auch Nasenbluten.
Behoben werden kann die Deviation der Nasenscheidewand durch einen kleinen operativen Eingriff, die Korrektur der Nasenscheidewand oder Septumplastik. Während einer Septumplastik wird die deviierte oder deformierte Nasenscheidewand durch einen chirurgischen Zugang in der Nase repositioniert. Je nach Ausmaß der Deformation kann Knorpel- und/oder Knochengewebe entfernt, neu modelliert oder hinzugefügt werden, um eine gerade Nasenscheidewand und offene Nasenhöhle zu schaffen. Der Eingriff wird in der Regel unter Vollnarkose durchgeführt. Früher und leider auch häufig heute immer noch werden Patienten für diesen Eingriff drei oder mehr Tage stationär im Krankenhaus behandelt, was aber aus Sicht und nach jahrelanger chirurgischer Erfahrung des Autors nicht notwendig ist. Meist reichen ein bis max. zwei Nächte stationäre Überwachung oder die Operation kann sogar auch ambulant erfolgen, d. h., die Patienten gehen dann nach der Operation nach Überwachung nach Hause. Auch die zu Recht gefürchteten Nasentamponaden, deren Entfernung meist als sehr unangenehm empfunden wird, setzt der Autor NICHT ein, d. h., diese Operation ist sehr gut OHNE Tamponaden möglich, auch wenn sicherlich über 90 Prozent der deutschen Nasen-Operateure diese immer noch benutzen.
Auch vergrößerte Schwellkörper in der Nase, die sogenannten Nasenmuscheln, können zu einer Beeinträchtigung der Nasenatmung beitragen. Gegebenenfalls bietet sich auch eine operative teilweise Verkleinerung der Schwellkörper an, diese Operation ist regelmäßig ambulant möglich, also ohne Krankenhausaufenthalt, wenn sie allein erfolgt, oft werden die Nasenmuscheln aber mit der Nasenscheidewand direkt zusammen operiert.
Gastautor:
Dr. med. Gero Quante,
Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde
Zusatz Stimm- und Sprachstörungen
HNO-Praxis der Klinik LINKS VOM RHEIN
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe DIE WIRTSCHAFT 04.2023
Bildquellen
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