Interview

Was tun bei Vorhofflimmern? Früh handeln und früh abladieren!

Wer Vorhofflimmern hat, der darf diesen 13. Herz- und Gefäßtag des Krankenhauses Porz am Rhein nicht verpassen. Am Dienstag, dem 5. September 2023, werden Kölner Herz-Spezialisten im „Großen Saal“ des Gürzenichs in Köln aufklären. Patienten oder medizinisch Interessierte werden wieder viele Neuheiten rund um Herz und Gefäße aus dem Gürzenich mitnehmen. Das Programm ist einmal mehr gespickt mit absoluten Highlights aus der Welt der Herz- und Gefäßerkrankungen – und wie immer: alles für Laien verständlich vorgetragen.

Ein Highlight ist die moderne Behandlung von Vorhofflimmern, der häufigsten Herzrhythmusstörung, die nicht nur sehr unangenehm sein kann, sondern auch zum Schlaganfall führen kann. Prof. Dr. med. Marc Horlitz, Chefarzt der Kardiologie und eines der größten deutschen „Vorhofflimmer-Zentren“ am Krankenhaus Porz am Rhein in Köln, gibt DER WIRTSCHAFT KÖLN zu diesem Thema ein exklusives Interview.

DIE WIRTSCHAFT: Wie häufig tritt Vorhofflimmern auf?

Prof. Horlitz: Die Zahl der Patienten mit Vorhofflimmern wächst unaufhörlich. Derzeit leiden 1,5 Millionen allein in Deutschland und 10 Millionen Menschen in Europa unter dieser Erkrankung, Tendenz steigend. Prognosen besagen, dass sich bis zum Jahr 2060 die Zahl noch verdoppeln wird.

DIE WIRTSCHAFT: Warum ist das so?

Prof. Horlitz: Wissenschaftlich lassen sich die Gründe für diese rasante Entwicklung noch nicht klar belegen. Es mag sicherlich mit der immer älter werdenden Gesellschaft in den Industriestaaten zu tun haben. Doch das allein scheint diesen Trend nicht vollends zu erklären. Wir beobachten nämlich unter den Vorhofflimmer-Patienten zunehmend auch eine große Gruppe jüngerer Menschen, die scheinbar gesund und dynamisch sind, sich beruflich sehr engagieren und nebenbei noch überdurchschnittlich viel Sport treiben. Diese Menschen entwickeln auffällig häufiger plötzlich Vorhofflimmern, obwohl sie ja eigentlich alles vermeintlich richtig machen, also beruflich aktiv sind, gesund leben und sich in der Freizeit viel bewegen.

DIE WIRTSCHAFT: Wie ist das Risiko bei Sportlern?

Prof. Horlitz: Wer regelmäßig und vernünftig Sport betreibt, am besten natürlich nach einem gezielten individuellen Trainingsplan nach Durchführung einer Spiroergometrie, sorgt für ein gutes inneres Gleichgewicht, erhöht die Fitness und entlastet das Herz und den Kreislauf. Damit kann Vorhofflimmern und auch anderen Herz- und Kreislauferkrankungen sehr effektiv vorgebeugt werden. Aber unter hoch intensiv trainierenden Sportlern ist hingegen ein enorm großes Wachstum an Vorhofflimmern zu verzeichnen. Wer zu intensiven Sport und zu hartes Training betreibt (statistisch ab 2.000 Trainingsstunden), hat ein Risiko bis zu 12,5 Prozent, ein Vorhofflimmern zu entwickeln. Im Vergleich zur Normalbevölkerung, bei der das Risiko bei immerhin 2 Prozent liegt, ist die Rate unter Hochleistungssportlern bedeutsam erhöht. Nicht nur den Herzkranken, sondern auch den beruflich wie sportlich sehr engagierten Menschen in unserer Bevölkerung gehört daher hinsichtlich der Erkennung von Vorhofflimmern die volle Aufmerksamkeit.

Risikofaktoren erkennen und behandeln

DIE WIRTSCHAFT: Kann ich Vorhofflimmern als Betroffener aktiv verhindern?

Prof. Horlitz: Das Risiko für Vorhofflimmern kann bereits in den Genen festgelegt sein. Auch Menschen, die sich wenig schonen und eine Infektion jeglicher Art nicht richtig auskurieren, können durch entzündliche Prozesse die „falschen Zündkerzen“ in ihrem Herzen in Gang setzen, die dann Vorhofflimmern auslösen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der persönliche individuelle Stressfaktor, der dann der oft entscheidende Auslöser ist. Grundsätzlich ist wichtig, persönliche Risikofaktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes mellitus und ein mögliches Schlaf-Apnoe-Syndrom rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln, besser noch, diese erst gar nicht entwickeln zu lassen.

DIE WIRTSCHAFT: Das heißt, dass durch Entzündung oder durch genetische Prozesse die „falschen Zündkerzen“ entstehen?

Prof. Horlitz: Ja, so ähnlich kann man das sagen. Quasi wie ein Felsen im Rhein kommt es im Vorhof durch lokale Bindegewebsstränge (Fibrose) zu elektrischen „Strudelbildungen“. Die normale Erregung wird unterbrochen, es entstehen lokal „falsche Zündkerzen“, die dann Vorhofflimmern auslösen können. Das heißt, dass der Impuls nicht mehr gleichmäßig läuft, was man auf dem EKG sieht, aber auch bereits durch das Fühlen des Pulses spüren kann.

DIE WIRTSCHAFT: Aber nun ist ja nicht jedes Herzstolpern gleich ein Vorhofflimmern. Woran erkenne ich denn als Laie, dass ich wirklich Vorhofflimmern habe?

Prof. Horlitz: Das ist leider nicht immer so eindeutig. Die Aussagen der Betroffenen sind zumindest sehr unterschiedlich. Im Vordergrund steht, wie schon gesagt, dass der Puls bei Vorhofflimmern plötzlich unregelmäßig wird. Oft verspüren Patienten plötzlich einen hohen Ruhepuls (ab ca. 110 bis 130 Schläge pro Minute oder größer), manchmal ist er aber auch auffällig langsam. Durch die hohe Vorhof-Frequenz kann sich der Vorhof-Muskel nicht mehr aktiv zusammenziehen. Das Blut wird nicht mehr aktiv, sondern nur noch passiv in die Hauptkammern „gesaugt“, sodass die Gesamtleistung des Herzens bei Vorhofflimmern dann bis zu 30 Prozent abnehmen kann.

DIE WIRTSCHAFT: Das klingt ja bedrohlich. Das spüre ich als Patient doch bestimmt richtig extrem?

Prof. Horlitz: Das ist oft so, ja. Patienten können Luftnot und Leistungsschwäche entwickeln, kommen die Treppe nicht mehr problemlos hoch. Insgesamt kann es zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität kommen. Deshalb sollte ein regelmäßiger Check beim Haus- oder Facharzt erfolgen. Der Beweis von Vorhofflimmern kann am Ende nur durch ein EKG erbracht werden.

Möglichst früh Rhythmustherapie starten

DIE WIRTSCHAFT: Das heißt, es gibt nicht nur ein anfallsartiges Vorhofflimmern, sondern auch ein chronisches?

Prof. Horlitz: Genau, interessant ist, dass ein anfallsartiges Vorhofflimmern mit der Zeit unbehandelt in ein anhaltendes Vorhofflimmern übergeht und so chronisch wird. Hierbei haben sich die Bindegewebszellen dramatisch im Vorhof vermehrt, quasi wie „Unkrautzellen“ zu Hause im eigenen Garten. Deshalb empfiehlt es sich, möglichst früh eine geeignete Rhythmustherapie zu beginnen, bevor die Entwicklung durch zu viel „Unkraut“ chronisch wird.

DIE WIRTSCHAFT: Welche Therapie empfiehlt sich?

Prof. Horlitz: Frühes Handeln, frühe Ablation! Wir dürfen nicht zulassen, dass anfallsartiges Vorhofflimmern in eine dauerhafte Form übergeht, da die Erfolgsraten mit dem Wachstum des „Unkrautgewebes“ zunehmend schlechter werden.

DIE WIRTSCHAFT: Können Sie den Prozess etwas konkretisieren?

Prof. Horlitz: Im Vergleich zum anfallsartigen Vorhofflimmern, wo die Erfolgsrate mit der Ablation in bis zu 80 Prozent aller Fälle möglich ist, macht das lang anhaltende Vorhofflimmern deutlich mehr Probleme in der Behandlung. Wenn das Vorhofflimmern nämlich nicht mehr spontan in den richtigen Rhythmus („Sinusrhythmus“) umspringen kann, ist oftmals zu beobachten, dass sich das Fibrosegewebe, das anfangs nur um die Lungenvenenmündungen als „falsche Zündkerzen“ gelegen war, sich nun über das gesamte Vorhofgewebe vermehrt hat. Diese Zellen können sich „wie Unkraut im Beet“ ausbreiten und wachsen sogar nach, sodass es ab einem bestimmten „Wucherungsbefall“ des Vorhofs natürlich sehr schwierig ist, diesen Prozess mit der Ablation zu heilen.

DIE WIRTSCHAFT: Wie wahrscheinlich ist denn eine erfolgreiche Ablation?

Prof. Horlitz: Das hängt von der Ausbreitung der „Unkraut“-Zellen ab. Bei wenig Fibrose liegt die Erfolgsrate bei 80 Prozent, bei fortgeschrittenen Fällen liegt die Erfolgsrate in der ablativen Behandlung bei etwa 50 bis 60 Prozent. In 70 Prozent reicht dabei ein Eingriff, in 30 Prozent ist nach drei Monaten ein zweiter Eingriff, manchmal auch ein dritter Eingriff notwendig.

DIE WIRTSCHAFT: Das heißt, ich bin mit der Ablation dann alle Medikamente los bzw. muss keine nehmen?

Prof. Horlitz: Nein, denn bei allen Entscheidungen für oder gegen eine Ablation darf nie vergessen werden, dass diese Entscheidung keinen Einfluss auf eine lebenslange Blutverdünnung hat. Mit anderen Worten: Selbst nach einer erfolgreichen Ablation müssen bestimmte Patienten mit zwei oder mehr Risikofaktoren weiterhin Blutverdünner einnehmen. Sind aber keine Risikofaktoren vorhanden, dann kann in der Tat spätestens drei Monate nach der Ablation auf alle Medikamente verzichtet werden!

DIE WIRTSCHAFT: Was ist somit zusammengefasst Ihre Empfehlung bei Vorhofflimmern?

Prof. Horlitz: Wenn anfallsartiges Vorhofflimmern vorliegt, sollte früh eine Ablation mit dem Vereisungsballon („Cryo-Ballon“) durchgeführt werden, bevor ein Chronifizierungsprozess durch Wucherung der „Unkrautzellen“ einsetzt. Ist das Vorhofflimmern bereits anhaltend, dann bei hohem Leidensdruck einen Versuch der Ablation mit einem hochmodernen 3-D-Mappingsystem starten, um neben den Lungenvenen auch das Ausmaß der Fibrose rhythmologisch auszuschalten. Wichtig ist und bleibt dabei im Vorfeld immer das ausführliche und intensive Vorgespräch mit dem Elektrophysiologen, um dann in Ruhe für sich selbst eine gemeinsame vernünftige Entscheidung treffen zu können.

13. Herz- und Gefäßtag des Krankenhauses Porz am Rhein

für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Köln und Umgebung

Dienstag, 5. September, 15:00 bis 18:00 Uhr im Gürzenich, Großer Saal, Köln

  • Digitale Lösungen in der Notfallmedizin!
  • Herz oder Rücken?
  • Künstliche Intelligenz in der Kardio-Radiologie!
  • Stents oder Bypass-OP?
  • Neue Medikamente bei Herzschwäche!
  • Statt OP nun schonender Katheter bei Herzklappen-Erkrankung?
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  • Neue Katheterablation mittels Elektroporation von Vorhofflimmern!
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  • Die erkrankte Hauptschlagader!
  • Diskussion und Treffen mit Ihrem Experten!

 

Bildquellen

  • Vorhofflimmer-Zentrum am Krankenhaus Porz am Rhein: Privat
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