Interview

Stadt mit Zukunft – Interview mit Prof. Christian Heuchel

In der letzten Ausgabe hatten wir mit Herrn Greitemann den Chef des Kölner Baudezernates als Titelthema. Es erschien uns reizvoll, nun mit dem bekannten Architekten, Herrn Prof. Heuchel, einen „Sparringpartner“ zu präsentieren, der mit den Möglichkeiten, die das Baurecht zulässt, arbeiten muss. Überwiegt die Ohnmacht im Alltag oder wie kann man das Spannungsfeld zwischen Kundenwünschen und Vorschriften verringern? Ist ein Architekt dabei ein Vermittler und Moderator? Kann er gesellschaftliche Risse auflösen? Auf jeden Fall brauchen alle Beteiligten eine klare Ansprache in der Stadtplanung und Architektur, so Prof. Heuchel in einem Statement. Er sieht die Zeitenwende als Chance und fordert mehr Verantwortung und Vertrauen für Architekten durch die Bürgerschaft.

Die Wirtschaft: Was macht den Kölner Dom zu einem idealen Ort für Initiativen in Kunst und Architektur, und wie verkörpert er die Verbindung von Architektur und Kunst?

Christian Heuchel: Wie alle Besucher beeindruckt mich der Kölner Dom. Er zeigt, was Architektur im Einklang mit Kunst bedeutet: filigrane Strukturen, reiche Verzierungen und farbige Fenster, die den Raum erhellen und den Blick gen Himmel lenken. Ein monumentales Gebäude, wie ein Raumschiff mitten im urbanen Trubel. Ein idealer Ort, um meine Initiativen in Kunst und Architektur zu starten.

Die Wirtschaft: Welche Faktoren machen Köln zu einer idealen Stadt für nachhaltige globale Entwicklung und wie hat die Stadt ihre Resilienz durch wiederholte Herausforderungen bewahrt?

Christian Heuchel: Köln, eine europäische Stadt par excellence mit 2000-jähriger Geschichte, bildet einen lebendigen Organismus im Zentrum der „Blauen Banane“. Sie bietet ideale Voraussetzungen für nachhaltige globale Entwicklung, eingebettet in eine stabile Demokratie, die Fortschritt, Anpassungsfähigkeit und den Green Deal fördert. Trotz wiederholter Herausforderungen durch Kriege und Krisen hat Köln einen Wiederaufbaureflex entwickelt, der das natürliche Wachstum der Stadt sichert.

Der Einfluss der kölschen Mentalität auf das Stadtbild

Die Wirtschaft: Wie trägt die kölsche Mentalität der Unklarheit und Unentschiedenheit zur Bewältigung der Herausforderungen einer wachsenden Großstadt bei und fördert nachhaltige Innovationen in Köln?

Christian Heuchel: Um die Herausforderungen einer wachsenden Großstadt wie Verkehr, Wohnen, Klimawandel und Bildung zu meistern, braucht es eine klare Idee. In Köln ist das Weiterbauen von Unklarheit und Unentschiedenheit geprägt. Diese kölsche Mentalität fördert nachhaltige Innovationen und schafft Raum für permanente Veränderung. Köln nimmt diese Dynamik selbstbewusst an und sieht sie als Vorboten des ständigen Wandels, wodurch die Stadt sich immer wieder lustvoll nach ihrer eigenen DNA neu erfindet.

Die Wirtschaft: Inwiefern inspiriert die Geschichte von Agrippina und Nero die heutige Stadtentwicklung in Köln, und welche Ziele verfolgt URBANLUST bei der Schaffung einzigartiger und erinnerungswürdiger Architektur?

Christian Heuchel: Agrippina, die Gründerin Kölns und Mutter Neros, symbolisiert den urbanen Prozess. Neros Liebe zur Stadt, so stark, dass er sie entzünden wollte, inspiriert meine Gedanken zur heutigen Stadtentwicklung. Unser Ziel ist es, das architektonische Bild Kölns stärker mit seiner Bautradition zu verbinden und ein Stadtbild zu schaffen, das Material, Proportion und Charakter berücksichtigt. Die Menschen haben ein Anrecht auf Architektur, die schön, individuell und erhaltenswert ist. URBANLUST strebt danach, einzigartige Gebäude zu schaffen, die nur in Köln stehen können und sich gegen die Orientierungslosigkeit abheben. Gebäude, die man nie vergisst.

Die Wirtschaft: Warum sind große Stadtentwicklungsprojekte wie die Parkstadt Süd wichtig für Kölns Zukunft und wie trägt das Projekt „Die Farben Kölns“ zur Identität der Stadt bei?

Christian Heuchel: Große Stadtentwicklungsprojekte sind entscheidend für Kölns Zukunft. Im Süden der Stadt entsteht mit der Parkstadt Süd eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas für bis zu 30.000 Menschen. Unser Projekt verbindet Alltag und kulturelle Akzente von Anfang an. Gemeinsam mit der Malerin Kirsten Lampert haben wir „Die Farben Kölns“ entwickelt – eine Farbpalette, die die Identität der Stadt widerspiegelt. Wir setzen diese Farben in einem bezahlbaren Ziegelangebot als haptisches Element um. Aktuell wird ein Gebäude in Putz und Keramik in den Farben Kölns von uns gebaut.

Die Wirtschaft: Was ist der Grund dafür, warum das Bauen oft langsam ist, und welche Rolle spielt die Architektur in langfristigen Stadtbildern?

Christian Heuchel: Bauen erscheint oft zu langsam, aber demokratische Prozesse brauchen Zeit. Architektur ist wie eine Schildkröte: langsam, aber beständig. Gute, nachhaltige Lösungen erfordern Geduld. Architekten können der rauen Wirklichkeit ideale Träume entgegensetzen. Letztlich bleibt Architektur ein Garant für langfristige Stadtbilder.

Bauregeln als kreatives Spielfeld

Die Wirtschaft: Kann ein Architekt trotz vieler Vorschriften kreativ sein, oder erstickt die Bürokratie innovative Ideen?

Christian Heuchel: Die Bauregelungen haben sich über Jahrhunderte entwickelt, um die Interessen aller Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen und die gesellschaftlichen Verhältnisse zu formen. Für Architekten sind diese Regeln kein Hindernis, sondern ein kreatives Spielfeld. Hier geht es darum, Lösungen im Konsens zu gestalten und die Herausforderungen unserer Gesellschaft gemeinsam zu meistern. Anstatt in Opposition zu gehen, sollten Architekten sich einbringen und Vertrauen aufbauen. Eine breite Basis schafft Akzeptanz für die Gestalter. Innerhalb der Regeln bleibt Raum für künstlerische Freiheit. Durch unsere gemeinsamen Erfahrungen können wir die Bauprozesse beschleunigen und die Kreativität fördern.

Prof. Christian Heuchel gibt sich im Gespräch mit Eugen Weis zuversichtlich

Die Wirtschaft: Welche Anforderungen muss die Baukunst der Zukunft erfüllen, und wie trägt das Team URBANLUST zur Entwicklung nachhaltiger Städte bei?

Christian Heuchel: Die Baukunst der Zukunft muss flexibel, nachhaltig und innovativ sein. Themen wie Local Love, Circle of Life und Mixed Living sind wichtiger denn je. Angesichts der Klimakrise sind klimagerechte Stadtentwicklung und ökologisches Bauen zentral. Unser Team URBANLUST entwickelt moderne architektonische Strategien für nachhaltige Städte im Klimawandel. Das Ergebnis: neue Monumente der Erinnerung.

Die Wirtschaft: Welche Rolle spielt der Architekt im Bauprozess und welche besonderen Aufgaben übernimmt er, um Projekte erfolgreich umzusetzen?

Christian Heuchel: Ich habe erkannt, dass der Architekt im Bauprozess der Pate des Projekts ist. Er liebt das Gebäude und kennt den Ort am besten. Mit Geschick und Zähigkeit kümmert er sich um das Projekt, moderiert und kommuniziert. Tag und Nacht ist er präsent, auch um schlechte Nachrichten zu überbringen. Seine wichtigste Aufgabe ist es, Emotionen zu glätten und Köln mit Herz und Verstand zu gestalten.

Die Wirtschaft: Wie tragen unendliche Vorstellungskraft und kreative Geistesblitze dazu bei, unsere Gesellschaft voranzubringen und Innovationen in Deutschland zu fördern?

Cristian Heuchel: Ich glaube fest an den Fortschritt und daran, dass diese Impulse langfristig nachwirken. Es muss nicht immer ein Genie wie Leonardo da Vinci oder Albert Einstein sein. Oft genügen kleine Lichtblicke aus den verborgenen Ecken unserer Kreativität, um unser Denken zu verändern und das Unmögliche real werden zu lassen. Es liegt an uns, diese Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen. Die unendliche Vorstellungskraft und der Drang zur Weiterentwicklung unserer Einstellung sind die Basis unserer heutigen Gesellschaft. Es begeistert mich, wie in Deutschland immer wieder erstaunliche Erfindungen gemacht werden.

Effizienter Bauprozess dank künstlicher Intelligenz

Die Wirtschaft: Inwiefern nutzen moderne Architekten nachhaltige Materialien und Technologien, um zukunftsfähige und innovative Bauprojekte zu gestalten?

Christian Heuchel: In der Architektur sind wir ständig in Bewegung und nutzen nachhaltige Materialien, um die Zukunft aktiv zu gestalten. Als moderne Architekten integrieren wir neue Technologien wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz, um den Bauprozess effizienter und innovativer zu machen. Ein Beispiel für unsere Arbeit ist die AI Lounge URBANLUST in Köln. Dort entwickeln wir kontinuierlich kreative Ansätze, um Architektur und Bauprozesse zu verbessern. In diesem Raum entfalten mutige Ideen ihr volles Potenzial und können tatsächlich die Welt verändern. Unsere Projekte spiegeln nicht nur die Zeit wider, in der wir leben, sondern haben auch das Potenzial, darüber hinaus Bestand zu haben. Gemeinsam gestalten wir gebaute Realitäten, die sowohl den aktuellen Zeitgeist als auch eine zeitlose Beständigkeit verkörpern.

Die Wirtschaft: Wo finde ich einen Architekten, der zu mir passt? Was zeichnet einen guten Architekten aus?

Christian Heuchel: Um den richtigen Architekten zu finden, kann man auf persönliche Empfehlungen von Freunden oder anderen Bauherren zurückgreifen, Architektenkammern konsultieren oder im Internet recherchieren. Dabei ist es wichtig, jemanden zu wählen, der in der Stadt lebt, in der gebaut wird. Dies ermöglicht es ihm, die lokale Geschichte und Eigenheiten zu verstehen und eine Architektur zu schaffen, die sich nahtlos in die Umgebung integriert. Ein Gebäude sollte nicht nur durch seine Fassade beeindrucken, sondern auch im gesellschaftlichen Kontext bestehen. Ein Architekt, der die Mentalität des Bauherrn widerspiegelt, schafft Bauwerke, die zeitlos relevant und lebendig bleiben.
Letztlich geht es darum, eine vertrauensvolle und kreative Partnerschaft mit dem Architekten zu finden, um gemeinsam etwas Einzigartiges zu schaffen. Ein guter Architekt ist nicht nur ein erfahrener Profi, sondern auch ein Moderator und Freund, der sich in die Ideen und Wünsche des Bauherrn hineinversetzen kann. Er versteht es, diese Visionen in eine durchdachte Architektur zu übersetzen, sodass der Bauherr das Gefühl hat, die Gestaltung selbst erfunden zu haben.

Parkstadt Süd, Köln 2023

Vertrauen schaffen

Die Wirtschaft: Wie gehen Sie mit Bauherren um, die sehr klare Vorstellungen haben?

Christian Heuchel: Der persönliche Kontakt und das Vertrauen sind entscheidend, da Bauherren oft nur einmal im Leben bauen und viel investieren, um etwas Dauerhaftes zu schaffen. Ich begegne häufig Bauherren mit klaren Vorstellungen von ihrem Bauprojekt. Dabei ist es wichtig, als Architekt auch ein guter Zuhörer und Berater zu sein. Viele ihrer Ideen entspringen persönlichen Erfahrungen, etwa aus Urlaubsreisen oder Medienbildern. Es ist meine Aufgabe, diese Träume zu verstehen und umzusetzen, während ich gleichzeitig realistische Erwartungen in Bezug auf Budget und Zeitrahmen setze. Es geht darum, die individuellen Wünsche der Bauherren herauszuarbeiten und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie alle wichtigen Entscheidungen für ihr Gebäude getroffen haben. So entstehen Bauwerke, die ihre Visionen und die praktischen Anforderungen vereinen.

Die Wirtschaft: Wie können wir der nächsten Generation Vertrauen in die Zukunft geben und welche Rolle spielt dabei der Veedelsbaumeister?

Christian Heuchel: Unsere Aufgabe ist es, der nächsten Generation Vertrauen in die Zukunft zu geben. Dafür müssen wir Räume schaffen, in denen junge Menschen ihre eigenen Perspektiven entwickeln und umsetzen können, und ihnen die Bedeutung unserer kulturellen Leistungen nahebringen. Das ist die nobelste Aufgabe eines Veedelsbaumeisters. Städte müssen emotional und strategisch ihre Bürger schützen sowie für Versorgung und Mobilität sorgen. Wir sind überzeugt, dass gute Architektur eine wirtschaftliche Investition in die Zukunft ist.

Bildquellen

  • Prof. Christian Heuchel mit Eugen Weis: Alex Weis
  • Parkstadt Süd: Videostill: URBANLUST
  • Prof. Christian Heuchel: Alex Weis
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