Eine Dame betritt den Hörsaal der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln, wo sich Studierende in einem Projekt mit dem Thema Compliance beschäftigen. Sie begrüßt die Studierenden herzlich, sichtlich erfreut, die Worte mit Bedacht gewählt. Sie wirkt selbstbewusst, doch ein Hauch von Nervosität schwingt in der Stimme mit. Gabriele Klug, Kölnerin und ehemalige Vize-Vorsitzende bei Transparency International (TI), ist Gast beim Interview, um über ihre Arbeit zur Bekämpfung von Korruption zu berichten. Denn darum geht es bei TI: die Bekämpfung sowie die Eindämmung.
Geldwäsche, Bestechung oder schon Betrug?
Doch was genau steckt hinter diesem Begriff? Geldwäsche, Bestechung, Betrug? Die Nichtregierungsorganisation TI arbeitet mit der Definition: „Bestechung ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“ Hier kann es sich um Bestechung oder Bestechlichkeit in der Wirtschaft, aber auch um Käuflichkeit oder die Annahme von Schmiergeldern in der Politik handeln. Das Spektrum ist breit gefächert. „Korruption verursacht nicht nur materielle Schäden, sondern untergräbt auch das Fundament einer Gesellschaft“, so TI.
Die Nichtregierungsorganisation setzt sich als Ziel, dies effektiv und nachhaltig zu verhindern. Auch Gabriele Klug hat den Kampf über elf Jahre an vorderster Front mitgeführt. Als ehemaliges Mitglied des Vorstands von Transparency International weiß sie genau, worauf es ankommt und welche Lösungen von der Politik dringlich notwendig sind, um die Bekämpfung sowie Eindämmung noch effektiver zu gestalten.
„Korruption ist ein Grundübel für die Demokratie“
Zurück zur Hochschule: Nach der Begrüßung geht es ins Tonstudio zum Interview. Die Nervosität ist verschwunden und purer Konzentration gewichen. Es ist spürbar, dass sie viel zu erzählen hat. „Ich war fast zwölf Jahre Mitglied des Vorstands von Transparency International. Natürlich kenne ich die Arbeit und die Menschen, die diesen wichtigen Kampf unterstützen“, blickt Klug zurück. TI geht gemeinsam mit anderen gegen Bestechung vor.
Wir bilden Koalitionen und sorgen dafür, dass das Thema immer im Bewusstsein der Öffentlichkeit vorhanden bleibt. Denn Korruption ist ein Grundübel für die Demokratie, und deswegen ist Prävention und Bekämpfung gerade heute nötiger denn je“, verdeutlicht Gabriele Klug. Ein Partner, mit dem TI konstant zusammenarbeitet, ist das Bundeskriminalamt, um Erkenntnisse der Behörde besser verstehen zu können und in der Öffentlichkeit die Botschaft zu platzieren, dass Maßnahmen ergriffen werden.
Die kriminalpolitische Perspektive
Genau wie Transparency International bekämpft der Berufsverband Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) Korruption. Das Ziel der Organisation ist, vor allem kriminalpolitisch etwas zu erreichen, um die Rahmenbedingungen zur Bekämpfung der Kriminalitätsphänomene zu verbessern.
Um eben diese kriminalpolitische Perspektive genauer erläutern zu können, besuchte eine Woche vor Frau Klug Sebastian Fiedler, Bundesvorsitzender vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, die Hochschule zum Interview. Er ist häufiger in den bundesweiten Medien präsent, ob im Fernsehen als Studiogast oder als O-Ton-Geber in den Nachrichten, und genau wie Gabriele Klug ehemaliger Kölner und Rheinländer.
„Vieles bleibt im Dunkeln“
Im Interview erläutert Sebastian Fiedler, dass der BDK dafür verantwortlich ist, die Rahmenbedingungen der Arbeit von Kriminalbeamten zu verbessern und dafür zu sorgen, dass genug Leute mit entsprechender Erfahrung vorhanden sind. Aber ausgerechnet in Bereichen wie Wirtschaftskriminalität, Bestechung und Geldwäsche herrsche ein nennenswerter Personalmangel.
„Die Politik hat nicht ständig einen öffentlichen Druck auszuhalten, wenn es um Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität geht. Das merken wir hinter den Kulissen. Und es sorgt dafür, dass vieles im Dunkeln bleibt. Also, dass wir kriminologisch große Dunkelfelder aufzuweisen haben“, berichtet Fiedler. Als weiteren Grund nennt er den komplizierten Ausbildungsweg zum Wirtschaftskriminalisten, der zu lange andauert.
„Einen heutigen Studenten dürften wir als fertigen Wirtschaftskriminalisten erst nach sieben oder acht Jahren sehen“, so Fiedler. Aber auch die Expertise der Kriminalbeamten muss sehr hoch sein. Manche Fälle können so speziell werden, dass Dritte zu den Ermittlungen hinzugezogen werden müssen. Zum Beispiel wenn es um manipulierte Kurse von Börsenplattformen geht.
Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption
Um Korruption effektiver bekämpfen und damit die Dunkelziffer verringern zu können, muss viel in Wirtschaft und Politik passieren. Fiedler fordert für den BDK mehr Experten, also Spezialisten der Kriminalpolizei, die beispielsweise mit dem Zoll oder der Steuerfahndung gut zusammenarbeiten können. Klug dringt neben Maßnahmen zur Prävention auf mehr Transparenz in Unternehmen. Vor allem die Chefetage muss Regeln einhalten und als Vorbild fungieren. „Der Betrieb muss ein Klima und der Staat einen Schutz schaffen für diejenigen, die Missstände aufdecken. Das ist der berühmte Hinweisgeberschutz“, so Klug.
„Das ist unrecht, was ihr tut!“
In einer Maßnahme im Kampf gegen Korruption sind sich die beiden zu 100 Prozent einig: Ein Unternehmens-Strafrecht muss her! „Das ist ein Lieblingsthema, weil ich ein absoluter Befürworter des Unternehmens-Strafrechtes bin. Es gibt eine Reihe von Gründen, die dafürsprechen. Nehmen wir nur die aktuellsten Fälle, die zu diskutieren sind. Denken Sie an die Diesel-Skandale“, so Fiedler.
In der Dieselaffäre ging es darum, dass sich der Autokonzern Volkswagen durch Abgasmanipulationen unbefugt Gelder angeeignet hat. VW hat sich im Milliardenbereich Aufwendungen erspart und somit illegale Gewinne erzielt. Der Konzern hätte Bußgelder in Milliardenhöhe zahlen müssen. Im Endeffekt waren es jedoch nur fünf Millionen Euro Buße. Der Rest des Geldes konnte VW als illegal erwirtschafteten Gewinn verbuchen.
„Das heißt, ein Unternehmen muss nur in wenigen Millionen Euro, wenn es sich insgesamt kriminell verhält, eine tatsächliche Strafe fürchten. Es muss dazu führen, dass so ein Modus Operandi offen wird. Es muss der Bevölkerung klar werden, wie sich ein solches Unternehmen verhalten hat. Wir fordern, dass das Legalitätsprinzip gilt, dass gegen ein solches Unternehmen ermittelt werden muss. Und es muss sozusagen der Unrechtsgehalt auch in einem entsprechenden Verhältnis stehen. Wir würden uns vorstellen, dass umsatzabhängige Strafen verhängt werden, so wie bei Kartellverfahren“, erklärt Fiedler.
Es muss sich endlich was ändern
Auch Klug betont die Relevanz des Unternehmens-Strafrechts: „Dann wird es auch zu einer gesellschaftlichen Bewertung kommen: Das ist unrecht, was ihr tut! Und es gibt weniger Spielraum, das in ein Dunkelfeld zu verschieben. Im Gegenteil: Es gibt klare Regelungen, dass es Unrecht ist.“ Beide Rheinländer sind sich einig: Es muss sich etwas in Politik und Wirtschaft ändern, damit Korruption immer weiter und effektiver eingedämmt werden kann. Vor allem das Unternehmens-Strafrecht wird dringlich gefordert, damit gerechtfertigte Strafen verhängt werden können.
Gabriele Klug verabschiedet sich ruhig und freundlich nach dem Interview von den Studierenden. Den Part der Nervosität und Spannung hat nun Sebastian Fiedler übernommen. Er telefoniert nach dem Interview hektisch. Es läuft gerade eine Fahndung nach Terrorverdächtigen und das WDR-Fernsehen wollte dafür seine Einschätzung. Kurz bevor er die Hochschule verlässt, verabschiedet aber auch er sich freundlich und geht schnell davon, vielleicht schon zum nächsten Interview.
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