Mitte 2023 liefen die befristeten Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld aus der COVID-19-Pandemie aus, Anfragen aus Unternehmen zum Thema Kurzarbeit häuften sich jedoch zuletzt wieder. Weil etwa auch aufgrund der „Energiekrise“ Produktionsstillstände drohen, verliert das Thema Kurzarbeit nichts an Aktualität. Gelegenheit, die Kriterien dafür neuerlich zu begutachten.
Der Bezug von Kurzarbeitergeld folgt seit dem Ende der Pandemie wieder den allgemeinen Parametern. Der Anspruch setzt grundlegend voraus, dass ein erheblicher Arbeitsausfall vorübergehender Natur mit Entgeltausfall eingetreten ist. Dazu müssen bestimmte betriebliche und persönliche Voraussetzungen erfüllt sein, ferner muss der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit fristgerecht angezeigt werden – im Falle eines unabwendbaren Ereignisses unverzüglich. Der für den Bezug von Kurzarbeitergeld notwendige „erhebliche“ Arbeitsausfall liegt vor, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, vorübergehend ist, nicht vermeidbar ist und im jeweiligen Kalendermonat mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist. Der Entgeltausfall kann dabei auch gar 100 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts betragen (sog. Kurzarbeit Null).
Während der Pandemie wurden die Zugangsvoraussetzungen zum Kurzarbeitergeld in wesentlichen Teilen erleichtert – was auch in Zukunft durch eine neuerliche Rechtsverordnung der Bundesregierung wieder möglich wäre. Nach § 109 Abs. 5 SGB III können im Fall „außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt“ ohne Zustimmung des Bundesrats drei zentrale Modifikationen erfolgen: einmal das Absenken des Quorums der vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer von einem Drittel auf bis zu 10 Prozent, der Verzicht auf den Einsatz von Urlaubsansprüchen, um dem Arbeitsausfall zu begegnen, und der Verzicht auf den Einsatz von Arbeitszeitguthaben. Durch Verordnungsermächtigungen ist zudem eine Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge während des Kurzarbeitergeldbezugs für den Arbeitgeber möglich, auf Arbeitnehmerseite kann ferner die Anrechnung zum Hinzuverdienst aus geringfügiger Beschäftigung ausbleiben. Bei neu auftretenden wirtschaftlichen Krisen kann der Gesetzgeber so auch durch kurzfristige Maßnahmen den verbundenen Belastungen begegnen.
Während der Pandemie erhöhte die Bundesregierung die maximale Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld auf 28 Monate, generell gilt aber eine Bezugsdauer von maximal zwölf Monaten. Maßgeblich ist hier eine betriebsbezogene Perspektive – nicht der einzelne von Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer. Der Zeitraum kann sich indes um die Monate verlängern, in denen zwischenzeitlich womöglich kein Kurzarbeitergeld gezahlt wurde. Wird drei Monate lang kein Kurzarbeitergeld im Betrieb bezogen, beginnt der Zwölf-Monats-Zeitraum neu.
Inhaltliches Kernkriterium für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld ist ein erheblicher Arbeitsausfall aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses. Gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen die wirtschaftlichen Gründe auf einen Zusammenhang mit der Gesamtheit der laufenden Produktions- und Konsumvorgänge abstellen, was konkret bedeutet, dass sie von externen Wirtschaftsprozessen und ihren konjunkturellen, zyklisch verlaufenden Phasen sowie den hierfür verantwortlichen Strukturelementen wie den ökonomischen und außerökonomischen Rahmenbedingungen abhängig sind. Hierzu zählen explizit auch die ökonomischen Auswirkungen politischer Entscheidungen. Notwendig ist zudem eine konjunkturelle und strukturelle Störung der Gesamtwirtschaftslage. Demgegenüber ist ein unabwendbares Ereignis ein objektiv feststellbares Ereignis, das auch durch die äußerste, nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt durch den Arbeitgeber oder seine Mitarbeiter nicht abzuwenden ist. Es muss daher zeitlich begrenzt und außergewöhnlich sein und von außen auf den Betrieb einwirken. Klassisches Beispiel sind extreme Wetterereignisse.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sowie auch bereits durch den deutschen Atomausstieg und aufgrund der allgemeinen Inflationslage kam die Frage auf, ob der sprunghafte Anstieg der Energiekosten die Möglichkeit zum Bezug von Kurzarbeitergeld eröffnet. Hiervon betroffen sind naturgemäß vor allem energieintensive Branchen, zum Beispiel die chemische Industrie oder das Handwerk. Obwohl das Problem schon im Herbst 2022 im Bundestag diskutiert wurde, folgten keine gesetzlichen Anpassungen. Auch unter Geltung der allgemeinen Voraussetzungen kann aber argumentiert werden, dass wirtschaftliche Gründe vorliegen, die einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld begründen. Der sprunghafte Anstieg der Energiekosten hat keinen betriebsspezifischen, vom einzelnen Unternehmen zu verantwortenden Ursprung, während die ökonomischen Auswirkungen auch auf politischen Entscheidungen beruhen. Durch entsprechende gerichtliche Entscheidungen abgesichert ist dies jedoch nicht.
Unter Anwendung der allgemeinen Regelungen zur Kurzarbeit sind Arbeitgeber jedenfalls zuvor verpflichtet, potenzielle arbeitsrechtliche Möglichkeiten zu nutzen. So muss beispielsweise ein möglicherweise bestehendes einseitiges Anordnungsrecht – sei es einzelvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung – genutzt werden, um den Arbeitsausfall durch Arbeitszeitsalden abzufangen, das heißt durch den Aufbau von Minusstunden in der Belegschaft. Allerdings besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, eine Rechtsgrundlage hierfür zu schaffen, sofern diese bisher noch nicht besteht. Bei der Gestaltung der Arbeitszeitregelungen kann derweil ein bestimmter Einfluss genommen werden, etwa durch eine Anpassung des Umfangs der zulässigen Minusstunden eines Arbeitszeitkontos. Auch im Rahmen von Betriebsvereinbarungen zur Einführung der Kurzarbeit sind entsprechende Regelungen dem Grunde nach denkbar; sie sollten aber zum gesetzlichen Konzept und zu den betrieblichen Arbeitszeitregelungen passen.
Daneben kommt zur Vermeidung des Arbeitsausfalls auch die Gewährung von Urlaub in Betracht. Vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmer dürfen allerdings der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen. Gerade bei einer möglichen Kurzarbeit gegen Jahresende kann von Arbeitnehmern nicht gefordert werden, dass diese ihren Resturlaub bis zum Ende des laufenden Urlaubsjahres zur Vermeidung von Kurzarbeit einbringen bzw. dass der Arbeitgeber eine Bestimmung über den Antritt des Urlaubs trifft. Gemäß der Bundesagentur für Arbeit besteht aber eine Obliegenheit des Arbeitgebers, den Urlaubszeitpunkt einseitig festzulegen, da anderenfalls kein unvermeidbarer Arbeitsausfall vorliegt. Im Übrigen entschied erst jüngst das Bundesarbeitsgericht, dass der Arbeitgeber für jeden Monat der Kurzarbeit den Urlaubsanspruch anteilig kürzen darf.
Auch ohne gesetzgeberische Initiative im Lichte der energiepolitischen Entwicklungen kann potenziellen Arbeitsausfällen in Unternehmen mit dem Instrument der Kurzarbeit begegnet werden. Ob die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ist gleichwohl eine Frage des Einzelfalls. Unternehmen ist jedenfalls zu raten, bei finanziellen Problemen aufgrund der gestiegenen Energiekosten den Bezug von Kurzarbeitergeld zu prüfen, sofern ein signifikanter Teil der Belegschaft betroffen ist und somit die notwendigen Schwellenwerte erreicht werden. W
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Gastautoren: Axel Braun, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner,
Dr. Christoph Corzelius, Rechtsanwalt, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln
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