In Zeiten von Fachkräftemangel sind die Suche nach und die Bindung von qualifiziertem Personal ein entscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg. Viele Unternehmen bedienen sich zur Bindung der Mitarbeiter der Mitarbeiterbeteiligungsprogramme. Denn Unternehmen, die ihre Mitarbeiter beteiligen, arbeiten – so zeigen Studien – produktiver.
Gerade in angloamerikanischen Unternehmen ist es üblich, dass die – US-amerikanische – Konzern-Obergesellschaft bestimmten (leitenden) Mitarbeitern, Dienstleistern oder sonstigen Geschäftspartnern Aktienoptionen gewährt (sogenannte Stock-Option-Programme). Aktienoptionen verbriefen hierbei für die Berechtigten das Recht, an einem bestimmten Tag zu einem bestimmten Preis Aktien der Konzern-Obergesellschaft zu erwerben (Call-Option) oder zu veräußern (Put-Option).
Zugleich haben die deutschen Unternehmen häufig ein Interesse daran zu verhindern, dass die bei ihnen in leitenden Funktionen (Schlüsselpositionen) beschäftigten Mitarbeiter nach ihrem Ausscheiden unmittelbar in einen Wettbewerb zu ihrem früheren Arbeitgeber treten. Insofern werden häufig in deutschen Arbeitsverträgen nachvertragliche Wettbewerbsverbote vereinbart. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot untersagt einem Arbeitnehmer, für einen bestimmten Zeitraum nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu seinem früheren Arbeitgeber in Wettbewerb zu treten. Geregelt sind nachvertragliche Wettbewerbsverbote in den §§ 74 ff. HGB sowie in § 110 GewO. Sie unterliegen in Deutschland strengen Vorschriften. Insbesondere ist ein Wettbewerbsverbot nur wirksam, wenn der Arbeitgeber dem ehemaligen Arbeitnehmer für die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes eine Karenzentschädigung von mindestens 50 % der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen Leistung gewährt (§ 74 Abs. 2 HGB). Entscheidend ist nun die Definition der zuletzt bezogenen Leistung. Grundsätzlich umfasst werden hiervon auch etwaige Boni und Zuschläge (§ 74 b Abs. 2 HGB).
Aktienoptionen bei der Berechnung der Karenzentschädigung einbeziehen?
Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, ob und wie gewährte Aktienoptionen der Konzern-Obergesellschaft im Rahmen der Berechnung der Karenzentschädigung einzubeziehen sind. Das Bundesarbeitsgericht hat zu dieser Frage mit Urteil vom 25. August 2022 Stellung bezogen und entschieden, dass variable Aktienerwerbsrechte (Aktienoptionen) durch die Konzern-Obergesellschaft eines Konzerns bei der Berechnung einer Karenzentschädigung im Fall eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes nicht berücksichtigt werden, wenn der betroffene Arbeitnehmer bei einer Tochtergesellschaft angestellt war. Argumentiert haben die Erfurter Richter, es handle sich hier dann bei den Aktienoptionen nicht um eine vertragsgemäße Leistung des Arbeitgebers.
Der (ehemalige) Mitarbeiter war bei der deutschen Gesellschaft (bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen) von 2012 bis 2020 beschäftigt. Die deutsche Gesellschaft war Mitglied einer Unternehmensgruppe, deren Obergesellschaft ein US-amerikanisches Unternehmen ist. Bestandteil des deutschen Arbeitsvertrages war ein neunmonatiges konzernweit geltendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Im Gegenzug schuldete die Arbeitgeberin eine Karenzentschädigung, „welche für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der vom Angestellten zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistung erreicht“. Ergänzend sollten die §§ 74 ff. HGB Anwendung finden. Während seines Arbeitsverhältnisses erhielt der (ehemalige) Mitarbeiter aufgrund von Vereinbarungen, die jeweils separat mit der Konzern-Obergesellschaft geschlossen worden waren, von dieser sogenannte Restricted Stock Units (RSUs). Dabei handelte es sich um beschränkte Aktienerwerbsrechte mit zeitlicher Staffelung der Übertragungszeitpunkte. Eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und dem deutschen Arbeitgeber über diese RSUs bestand nicht. Die Aktienoptionen waren weder im Arbeitsvertrag noch in Ergänzungsvereinbarungen zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages vereinbart.
Restricted Stock Units müssen nicht berücksichtigt werden
Das Arbeitsverhältnis endete im Januar 2020 und der (ehemalige) Mitarbeiter hielt sich im Anschluss an das vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Die ehemalige Arbeitgeberin zahlte im Gegenzug die vereinbarte Karenzentschädigung, ließ aber bei der Berechnung die RSUs außer Acht. Folglich war die ausgezahlte Karenzentschädigung deutlich niedriger, als sie bei der Einbeziehung der RSUs ausgefallen wäre. Der Arbeitnehmer machte daraufhin gerichtlich die Zahlung dieser Differenz geltend. Er behauptete, dass es unerheblich sei, dass Schuldner dieser Leistung nicht die Arbeitgeberin, sondern ihre Konzern-Obergesellschaft sei. Denn die Konzern-Obergesellschaft hat die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Vertragsbedingungen im Arbeitsverhältnis der Parteien gehabt.
Die Richter des Bundesarbeitsgerichtes erteilten dieser Auffassung eine Absage. Bei den RSUs handle es sich nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht um eine vertragsgemäße Leistung, die bei der Berechnung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen sei. Die arbeitsvertragliche Klausel verweise auf den § 74 ff. HGB und greife im Übrigen den Wortlaut des § 74 Abs. 2 HGB auf. Sie sei daher dahin gehend auszulegen, dass die Karenzentschädigung nur Leistungen umfasst, die aus dem Charakter des Arbeitsvertrages als Austauschverhältnis resultieren und dem Arbeitnehmer im Gegenzug für die geleistete Arbeit als Vergütung gewährt werden. Die Vereinbarungen über die RSUs bestanden aber gerade nicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Aus der Tatsache, dass der Arbeitsvertrag ein konzernweites Wettbewerbsverbot regele, ergebe sich nicht, dass ein Zusammenhang zwischen RSUs und Arbeitsverhältnis bestehe.
Bundesarbeitsgericht schafft Klarheit
Das Bundesarbeitsgericht schafft mit dieser Entscheidung Klarheit über die Einbeziehung von Leistungen bei der Berechnung der Karenzentschädigung. Es entspricht der gängigen Praxis, dass Arbeitnehmer Leistungen von anderen Konzerngesellschaften erhalten, sodass die Frage der Berücksichtigung dieser im Rahmen der Karenzentschädigung für viele Arbeitgeber höchst relevant ist. Werden Aktienoptionen der Konzern-Obergesellschaft gewährt, hat ein anderes Tochterunternehmen hierfür arbeitsrechtlich nicht einzustehen. Denn nur weil sie aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt werden, stellen sie nicht automatisch Vergütungsbestandteile dar. Es ist daher folgerichtig, diese Differenzierung ebenfalls auf die Berechnung der Karenzentschädigung zu übertragen.
In der Praxis empfiehlt es sich umso mehr, bei Vertragsabschlüssen darauf zu achten, dass etwaige Mitarbeiterbeteiligungen, die einem bei einer Tochtergesellschaft angestellten Arbeitnehmer gewährt werden sollen, allein von der Konzern-Obergesellschaft zugesagt und gewährt werden. Es sollte strikt zwischen Arbeitsverhältnis und Gewährung der Aktienoptionen oder sonstigen Beteiligungen getrennt werden. Insbesondere sollten weder im Arbeitsvertrag noch in einem möglichen Aufhebungsvertrag Referenzen auf die Aktienoptionen enthalten sein. Allenfalls kann indes zur Klarstellung aufgenommen werden, dass diese von der Vereinbarung unberührt bleiben. Um den Eindruck zu vermeiden, dass sich Tochtergesellschaften als Vertragsarbeitgeber hinsichtlich der Mitarbeiterbeteiligung verpflichten, sollte auch die diesbezügliche Korrespondenz ausschließlich zwischen der Konzern-Obergesellschaft und den jeweiligen Arbeitnehmern geführt werden.
(Gastautorin: Katharina Müller, Partnerin, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Köln)
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