Georg Schäfer, Geschäftsführer vom Haus Kölscher Brautradition, ist vor allem „ne kölsche Jung“ mit Leib und Seele. Direkt nach dem Studium in Köln (BWL) startete er im Biermarkt. Angefangen hat er im Jahr 1989 bei Gilden Kölsch, dann ging es zu Sion Kölsch, Sester Kölsch und Küppers Kölsch. Gefolgt von einem Abstecher zu einer sauerländischen Pilsmarke. Nach einem erneuten Zwischenstopp bei einer weiteren Kölner Brauerei ist er seit dem Jahr 2010 zurück am Ursprung. Obwohl immer viel unterwegs, nicht nur im Fastelovend, bleibt trotzdem Zeit für das Wichtigste im Leben: die Familie. Im Gespräch mit DIE WIRTSCHAFT gibt er einen Einblick in das Haus Kölscher Brautradition und verrät uns, wie die Brauereien mit den wachsenden Herausforderungen des engen Kölschmarktes umgehen.
DIE WIRTSCHAFT: Sehr geehrter Herr Schäfer, was genau ist das „Haus Kölscher Brautradition“?
Georg Schäfer: Jedes Haus hat seine Bewohner, meist ganz verschiedene Charaktere. Nicht anders ist es bei unserem Haus Kölscher Brautradition: Unter diesem Dach leben Sion Kölsch, Peters Kölsch, Dom Kölsch und Gilden Kölsch sowie Küppers Kölsch und Sester Kölsch. Und auch sie haben ihre Eigenheiten …
DIE WIRTSCHAFT: Wenn man den Biermarkt bundesweit betrachtet, was macht die Region Köln so interessant?
Georg Schäfer: Die Identifikation der Menschen mit „ihrem“ Heimatgetränk ist wohl einmalig. „Kölsch drinke und schwade“ – das ist Kölsch-Kultur im doppelten Sinn.
Deshalb verkauft sich unser Nationalgetränk aber nicht von allein. Immerhin gibt es auf begrenztem Raum gut zwei Handvoll Kölsch-Brauereien und noch mehr Kölschmarken. Sie stehen nicht nur untereinander im Wettbewerb. Sie müssen sich auch gegen die rund 7.000 Biere verteidigen, die es allein in Deutschland gibt und die natürlich auch gerne mehr davon in unserer Millionenstadt mit ihrem dicht besiedelten Umland verkaufen würden.
Keine einfache Aufgabe, die allerdings ganz gut gelingt. Deshalb vergleiche ich Köln auch gerne mit dem bekannten gallischen Dorf, das der römischen Übermacht trotzt – auch dank eines Zaubertranks.
DIE WIRTSCHAFT: Wie funktioniert die „Mehrmarkenstrategie“ in einem so engen Markt wie dem Kölschmarkt? Besteht nicht die Gefahr der Kannibalisierung?
Georg Schäfer: Das sehe ich nicht. Deshalb nochmals zurück zu unseren kölschen Hausbewohnern, die – wie gesagt – alle ihre Eigenheiten haben: Mal ist der Hopfen ausgeprägter, mal kommt das Malz etwas stärker durch. Einer tummelt sich lieber in der Gastronomie, ein anderer ist vor allem im Getränkemarkt zu finden, und im Karneval treiben es allesamt bunt. Jedes Familienmitglied hat also seinen ganz eigenen Charakter – und deshalb auch einen anderen Freundeskreis. Genauso ist das bei den Marken in unserem Haus Kölscher Brautradition. Wichtig ist nur, dass wir ihren Persönlichkeiten ausreichend Entwicklungsspielraum lassen. Was nichts anderes heißt, als dass wir bei Rezepturen, Optik, Aroma und Geschmack, aber auch bei Vertrieb und Vermarktung differenzieren.
DIE WIRTSCHAFT: Ist Kölsch ein regionales Produkt? Oder anders gefragt: Kölsch ist Bier; ist Bier auch Kölsch?
Georg Schäfer: Was ich sagen kann, ist, dass Kölsch absolut mein Bier ist!
Dom-Kölsch: Drei Buchstaben, zwei Türme, ein Dom
DIE WIRTSCHAFT: Was waren die Motive für die jüngste Übernahme von Dom Kölsch?
Georg Schäfer: Wenn sich die Chance bietet, die Marke zu erwerben, die DAS Kölner Wahrzeichen im Namen trägt, muss man sie einfach nutzen. Selbst, wenn Dom Kölsch zu dem Zeitpunkt etwas angestaubt daherkam. Das haben wir dann jedoch geändert: Goldkanten, Medaillen, und alles Überflüssige kam weg. Geblieben ist das Wesentliche: drei Buchstaben, zwei Türme, ein Dom. Und alles in den Farben unserer Stadt, Rut un Wiess. Versteht jeder sofort, auch außerhalb Kölns.
DIE WIRTSCHAFT: Ist die Flaschenform Motor für mehr Abverkauf?
Georg Schäfer: Zunächst einmal sollte natürlich der Inhalt überzeugen. Aber Studien haben auch gezeigt, dass unentschlossene Verbraucher in Sekundenbruchteilen vor allem anhand der Verpackung entscheiden, zu welchem Produkt sie greifen. Diese erste Hürde können Brauer bei vergleichbaren Standardflaschen nur über die Etikettenoptik nehmen. Mit der Bügelflasche kann unser Peters Kölsch dann ein weiteres Ass aus dem Ärmel holen, denn diese Flaschenform ist schon etwas Besonderes im Getränkeregal.
Auch in der flaschenbierorientierten Gastronomie – also in Clubs, Szenekneipen oder an Stadtstränden – spielt die Verpackung eine wichtige Rolle. Das haben wir bei Sion Kölsch gesehen: Als wir bei der Gastronomieflasche das blaue gegen ein schlichtes mattschwarzes Etikett getauscht haben, haben wir viel Zuspruch bekommen. Das war schon ein mutiger Schritt, doch Mut wird bekanntlich gerne belohnt.
DIE WIRTSCHAFT: Wie wichtig ist heutzutage in einer digitalisierten, globalen Welt das Thema „Tradition“ für die Sorte Kölsch?
Georg Schäfer: Zukunft braucht Herkunft, zitiere ich an dieser Stelle gerne Philosophie-Professor Odo Marquard. Vor allem in unserer globalisierten Welt spüren wir eine Rückbesinnung auf fast vergessene Traditionen. Auf Ursprünge. Auf Verwurzelungen.
Wie bei unserem Gilden Kölsch, dessen Historie bis ins Mittelalter zurückreicht. Oder auch bei unserem Sion Kölsch, das nicht minder geschichtsträchtig ist. Mit Namensgeber Hans Sion gab es zudem einen Visionär in der direkten Familienlinie. Er erkannte die enorme Wichtigkeit einer lokalen, unverwechselbaren Spezialität. Dass er seither als „Vater des Kölsch“ bekannt ist, zollt seinen Verdiensten den gebotenen Respekt.
DIE WIRTSCHAFT: Neben Kölsch bieten Sie auch andere Getränke an. Inwieweit hilft diese heterogene Angebotsvielfalt und -struktur beim Bierverkauf und bei der Akzeptanz?
Georg Schäfer: Unser Haus Kölscher Brautradition ist Teil einer großen Unternehmensfamilie, richtig. Deshalb können unsere Partner der Gastronomie, im Veranstaltungsbereich und im Handel weitere Sorten unter bekannten Markenabsendern aus einer Hand beziehen, neben Kölsch. Denn auch in unserem Heimatmarkt besteht durchaus der Wunsch, mehr anzubieten als nur eine Sorte. Zum Beispiel friesisch-herbes Jever oder Allgäuer Büble Bier: Das eine steht bei Nordsee-Liebhabern hoch im Kurs, das andere bei Alpen-Fans. Oder Original Selters, das als Inbegriff für Mineralwasser gilt. Wie auch Pepsi-Cola und Pepsi Zero, die sich immer erfolgreicher entwickeln. Doch es geht noch um viel mehr als „nur“ Getränke. Mit Beratungsleistungen und Zusatzangeboten können wir vor allem auch unsere Partner entlasten, damit sie wieder mehr Zeit für ihr Kerngeschäft haben – Gastgeber und Kundenberater zu sein.
Gastronomie ist ein Ort der Begegnungen
DIE WIRTSCHAFT: Die üblichen Vertriebskanäle für Bier und Getränke sind ja Handel, Gastronomie und Events. Wie positioniert sich hier das Haus der Kölschen Brautradition?
Georg Schäfer: Was allen Objektarten gemeinsam ist: Die Gastronomie ist ein Ort der Begegnungen. „Treffen wir uns auf ein Kölsch?“ ist vielleicht die beliebteste Frage, die man in unserer Stadt hört – quer durch alle Altersgruppen, unabhängig von der Dicke des Portemonnaies.
Nicht viel anders sieht es bei Veranstaltungen aus: rausgehen, Erlebnisse teilen, Lebensfreude genießen. Köln bietet unendlich viele Möglichkeiten, drinnen wie draußen.
Dass in den Getränkemärkten der Stadt und Region auch Kölschmarken von uns zu finden sind, ist selbstverständlich. Im Handelsgeschäft gibt es in der Regel jedoch wenige Entscheider, die gleich für viele angeschlossene Märkte über Sortimente bestimmen. Viel kleinteiliger und damit vielfältiger ist die Gastronomie: nicht nur, weil das Spektrum von der klassischen Eckkneipe über die mondäne Hotelbar, vom rustikalen Brauhaus bis zum sterneverdächtigen Restaurant reicht. Meist ist auch nur ein Ansprechpartner entscheidend, der über die Getränkekarte für sein Lokal bestimmt.
Und hier sind wir schon etwas stolz, dass unsere Kölschmarken in den bekannten und gerne besuchten Locations getrunken wird. Angefangen bei der LANXESS arena, dem Gürzenich oder den Sartory-Sälen, die wir mit Dom Kölsch bespielen, über das E-Werk oder dem Palladium, in welchen man Gilden Kölsch stets frisch gezapft genießt bis hin zur Flora oder den Schiffen der KD, auf denen kühles Sion Kölsch serviert wird. Gäste begrüßen wir zudem in fast allen Hotels mit Kölsch: im Lindner, in den Dorint-Häusern, im Schloss Bensberg, im Radisson, im Pullman, im Steigenberger, im Hyatt sowie im Maritim im Hilton Cologne, im Mariott und im Motel One. Und was wäre Köln ohne seine Brauhäuser? Kölner und Besucher aus aller Welt steuern sie gleichermaßen an. Dass wir gleich mit vier beliebten und sehr schönen Objekten im Herzen der Stadt vertreten sind, freut mich sehr. Angefangen bei dem traditionsreichen Brauhaus Sion über das gemütliche Peters Brauhaus, dem Dom im Stapelhaus in erster Rheinlage bis hin zum Gilden im Zims, der Heimat kölscher Helden, bieten wir Gästen in der Kölner Altstadt eine denkbar breite gastronomische Erlebnispalette an.
„Vogel-Strauß-Taktik“ keine Lösung
DIE WIRTSCHAFT: 2,5 Jahre Pandemie und Stillstand. Welche Auswirkungen und Konsequenzen haben diese auf Brauereien und ihr Kerngeschäft?
Georg Schäfer: Wo anfangen, wo aufhören? Die Coronapandemie hat einiges verändert. Vieles davon wird erst jetzt richtig spürbar, und das auf lange Sicht, fürchte ich.
Die Gastronomie hat zwar wieder geöffnet, Events sind gut besucht. Der Hotel- und Gaststättenverband meldet steigende Zahlen, der Fassbierabsatz beim Kölsch kommt aus der tiefsten Talsohle der Nachkriegszeit heraus. Das ist eine gute Nachricht, für die Wirte, die Veranstalter, für uns als engagierter Partner.
Trotzdem sind wir noch nicht wieder auf dem „Vor-Corona-Niveau“. Parallel sind außerdem weitere Herausforderungen hinzugekommen: Die Kosten sind in allen Bereichen massiv gestiegen. Die Inflation ist galoppiert. Durch Abwanderung in andere Bereiche fehlen Fachkräfte – beispielsweise in Küche und Service. Auch die verfügbaren Einkommen schrumpfen. Die Menschen überlegen noch genauer, was sie sich leisten können und wollen.
„Vogel-Strauß-Taktik“ ist allerdings keine Lösung. Denn umgekehrt ist das Nachholbedürfnis spürbar groß, das haben wir im Karneval gesehen. Gastronomen und Veranstalter sind zudem sehr kreativ, wenn es darum geht, Hürden zu überwinden.
DIE WIRTSCHAFT: Welche Auswirkungen haben die Krisen in der Welt auf die Produktion von Bier und den Absatz? Wird in Krisenzeiten eigentlich mehr getrunken?
Georg Schäfer: Das Thema „Kostensteigerungen“ trifft auch unsere Branche, und zwar ganz erheblich. Wir sehen Preishöchststände bei Malz und Hopfen, bei Glas, Kronkorken und Papier, bei Logistik und vor allem bei Wärme und Strom. Die Ressourcen sind ebenfalls knapp, ob Leergut oder Fahrer – es mangelt in vielen Bereichen. Damit umzugehen, ist durchaus anspruchsvoll. Darauf zu hoffen, dass in Krisen mehr konsumiert wird, ist sicherlich keine Option – zumal uns der bewusste Genuss unserer Kölschmarken am Herzen liegt.
Biermarkt wird weiter schrumpfen
DIE WIRTSCHAFT: Wie entwickelt sich der hiesige Kölschmarkt in den nächsten zehn Jahren? Wird sich die Tendenz der Konsolidierung fortsetzen?
Georg Schäfer: Langfristig wird der Biermarkt weiter schrumpfen. Schon heute liegen wir bei rund 90 Litern, die in Deutschland pro Kopf konsumiert werden. Zehn Jahre zuvor waren es noch rund 110 Liter. Tendenz weiter sinkend.
Die Folge sind hohe Überkapazitäten, die auf deutsche Sudkessel drücken. Darauf müssen sich die Brauer einstellen. Wir haben das bereits getan, indem wir eine wegweisende Kooperation mit der Cölner Hofbräu Früh eingegangen sind. Die Kölschmarken beider Häuser teilen sich nun die Brau- und Abfüllkapazitäten, wobei die Rezepturen, die spezifischen Rohstoffe dafür und die Gär- und Lagerzeiten unterschiedlich sind. In der Vermarktung und dem Vertrieb agieren wir natürlich weiterhin als Wettbewerber.
Ein Modell, das bei seiner Bekanntgabe viel Aufsehen erregt hat. Das aber sehr gut funktioniert, wie sich seither zeigt.
DIE WIRTSCHAFT: Abschlussfrage: Herr Schäfer, trinken Sie auch Alt?
Georg Schäfer: Zum Glück bin ich noch nie in die Verlegenheit gekommen, dass lediglich Alt angeboten wurde …
Spaß beiseite: Ich probiere gerne auch andere Biersorten. Es gibt hierzulande schließlich eine unglaublich hohe Bierqualität, nicht umsonst sind deutsche Brauer weltweit gesucht und begehrt. Aber es gibt leider schlecht gepflegte Biere: Sie mögen es schließlich gerne dunkel und kühl. Ein Flaschenbier, das lange grellem Sonnenlicht ausgesetzt war, oder eines, das zu warm ins Glas gezapft wird, ist leider kein Genuss.
Umso mehr freue ich mich, wenn Händler und Gastronomen das beherzigen, was die Brauer „Bierpflege“ nennen. Dann schmeckt’s auch!
(Eugen Weis & Monika Eiden)
Bildquellen
- Georg Schäfer Dom Kölsch: Alex Weis
- Georg Schäfer Peters Kölsch: Alex Weis
- Georg Schäfer: Alex Weis