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Indien weiter im Aufwind

Indiens Aufstieg zur bald drittgrößten Volkswirtschaft der Welt wird weitergehen, bei der Bevölkerungszahl wurde China im Vorjahr bereits überholt. Mit Wachstumsraten von über sieben Prozent, politischer Stabilität, jungen und gut ausgebildeten Fachkräften sowie großen Fortschritten bei Digitalisierung und Ausbau der Infrastruktur bietet der indische Markt enormes Potenzial für internationale Unternehmen als Produktions-, Absatz- und Beschaffungsmarkt.

Im Juni 2024 sicherte sich Premierminister Narendra Modi seine dritte Amtszeit, auch wenn er seine absolute Mehrheit verlor und nun mit Koalitionspartnern regieren muss. Ende Juli präsentierte die Finanzministerin den Haushalt für das Wirtschaftsjahr 2024/2025. Aufgrund der guten Wirtschaftszahlen kann weiterhin massiv in den Ausbau der Infrastruktur investiert werden, die Zuweisung von Mitteln für Industriekorridore, Straßen und Stromerzeugung wird als vorrangig eingestuft. So sollen 100 neue Industrieparks entstehen, in denen sich auch deutsche Unternehmen ansiedeln können. Um die dafür erforderlichen Millionen an neuen Arbeitsplätzen zu schaffen, sieht der Bundeshaushalt zudem umfangreiche Förderprogramme für Arbeitsplätze in der Industrie wie auch Steuersenkungen und andere Anreize für ausländische Unternehmen vor.

Die Vorschriften für ausländische Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment oder „FDI“) sollen weiter vereinfacht werden. Geplant sind Erleichterungen für sektorübergreifende Investitionen und einfachere Genehmigungsverfahren. Außerdem wird derzeit über die Liberalisierung der FDI-Politik und die weitere Erhöhung der sektoralen Obergrenzen debattiert. Anfang dieses Jahres hat die indische Regierung bereits 100 Prozent FDI im Raumfahrtsektor etwa für die Herstellung und den Betrieb von Satelliten zugelassen.

Zuvor hatte die indische Regierung bereits die Grenzen für ausländische Direktinvestitionen in bestimmten Sektoren auf bis zu 100 Prozent erhöht. Zudem wurden als zusätzliches Signal an ausländische Investoren bestimmte Sektoren, für die eine vorherige Genehmigung der zuständigen Ministerien, Aufsichtsbehörden usw. erforderlich war, aus dem Genehmigungsverfahren herausgenommen und dem sogenannten automatischen Verfahren unterstellt. Indien ist damit einer der weltweit offensten Märkte für Auslandsinvestitionen.

Kurze Fristen für die Genehmigung von Auslandsinvestitionen

In den wenigen einer Genehmigung vorbehaltenen Sektoren stehen Verfahrenserleichterungen an. Das Department for Promotion of Industry and Internal Trade (DPIIT), unterstellt dem Handelsministerium, ist für die Genehmigung von ausländischen Direktinvestitionen (FDI) zuständig. Derzeit werden über ein vom DPIIT verwaltetes Portal Anträge auf Genehmigung eingereicht und anschließend an die zuständigen Behörden und Abteilungen zur Genehmigung weitergeleitet.

Die betroffenen Ministerien und Abteilungen müssen dann innerhalb von 60 Tagen nach Antragstellung eine Entscheidung über das Vorhaben treffen. Die indische Regierung hat sich nachdrücklich für eine Verkürzung des (Genehmigungs-)Prozesses ausgesprochen, um die Genehmigung von FDI-Vorhaben in besonders geförderten Sektoren zu beschleunigen. Bislang sind jedoch noch keine Sektoren festgelegt worden, für die dieses beschleunigte Verfahren zur Anwendung gelangen soll.

Bürokratieabbau durch die Jan Vishwas Bill 2.0

Im „Doing Business Report 2022“ der Weltbank rangiert Indien beim „Ease of Doing Business“ inzwischen auf Platz 63 – ein kometenhafter Aufstieg um 79 Ränge von Platz 142 im Jahr 2014! Um diesen Trend zu festigen und für ein noch günstigeres Umfeld für ausländische Direktinvestitionen plant die indische Regierung Reformen, mit denen ausufernde Regelungen beseitigt und das regulatorische Ökosystem strukturell weiter verbessert wird. Dazu gehört vor allem das als Jan Vishwas Bill 2.0 bekannte Gesetzesvorhaben, das an eine Reihe 2023 bereits umgesetzter Änderungen anknüpft.

Die Jan Vishwas Bill (Amended Provisions) 2023 führte zu einer Änderung von 183 Bestimmungen über Geldbußen, Strafen und die Kriminalisierung bestimmter Handlungen oder Unterlassungen in 42 zentralen Gesetzen, die zuvor eine Vielzahl an Ministerien und Behörden beschäftigten und die für Unternehmen einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich brachten. Mit der Jan Vishwas Bill 2.0 sollen die im Vorjahr beschlossenen Änderungen ergänzt und Unternehmen weiter entlastet werden. Die Verabschiedung dieses Gesetzes wird daher als ein Meilenstein auf dem Weg zum Abbau von Bürokratie und Rationalisierung von Gesetzen gesehen.

Reform bei Insolvenzverfahren

Ähnlich bedeutsam ist die Verbesserung des regulatorischen Rahmens im Bereich Insolvenzen. Um die Abwicklung von Insolvenzen weiter zu beschleunigen, sieht die indische Regierung die Schaffung einer integrierten Technologieplattform vor, die Konsistenz, Transparenz, eine zeitnahe Bearbeitung und eine bessere Aufsicht gewährleisten soll. Nach Angaben der Regierung wurden seit Verabschiedung der 2016 neu gefassten Insolvenz- und Konkursordnung („Insolvency and Bankruptcy Code“ oder „IBC“) über 1.000 Unternehmen erfolgreich abgewickelt, was zu einer direkten Realisierung von umgerechnet mehr als 30 Milliarden Euro für die Gläubiger geführt hat. 28.000 Fälle mit einem Gegenstandswert von zusammen ca. 100 Milliarden Euro konnten ohne Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erledigt werden.

Zudem sind strukturelle Verbesserungen zur Beschleunigung der Insolvenzabwicklung geplant, mit denen die Rolle der Gerichte gestärkt werden soll. Letztlich tragen die Veränderungen dazu bei, das Vertrauen ausländischer Investoren in die indische Rechtsstaatlichkeit und das Justizwesen zu fördern.

Senkung der Körperschaftssteuer für ausländische Unternehmen

Der Steuersatz für ausländische Unternehmen wurde von 40 auf 35 Prozent gesenkt. Die Maßnahme wird in Unternehmenskreisen als Wendepunkt angesehen, da sie das Steuergefälle zwischen indischen Unternehmen (für die in der Regel ein Steuersatz von 25 Prozent gilt) und in Indien ohne eigene Tochtergesellschaft tätigen ausländischen Unternehmen verringern wird. Es wird erwartet, dass sich die Absenkung des Steuersatzes für ausländische Unternehmen positiv auf die Geschäftsbeziehungen mit ausländischen Unternehmen auswirken wird.

Abschaffung der Angel Tax

Die 2012 eingeführte sogenannte Angel Tax wurde auf den Marktwert übersteigende Einlagen erhoben, die nicht börsennotierte Unternehmen von Investoren in einer frühen Entwicklungsphase erhielten. Die Angel Tax wurde gleichermaßen auf Einlagen von inländischen und ausländischen Investoren erhoben. Nachdem die Bestimmung des Marktwertes von Startups in der Praxis schwierig ist und viele Startups die Angel Tax als investorenfeindlich und ungerecht empfinden, hat die indische Regierung jetzt die Abschaffung dieser Steuer angekündigt. Das soll die Finanzierung ausländischer Investitionen in das aufkeimende indische Startup-Ökosystem ankurbeln, welches zunehmend einen größeren Anteil zum indischen BIP beiträgt.

Ausblick

Die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft der Welt strotzt derzeit vor Zuversicht und die meisten Beobachter sind sich einig: So viel Optimismus gab es in Indien lange nicht. Indien hat sich zu einem bevorzugten Investitionsziel für ausländische Unternehmen entwickelt, bei vielen deutschen Firmen auch als Alternative oder Ergänzung zu China. Gleichzeitig bestimmen trotz aller Fortschritte bürokratische Hürden, teilweise noch archaische Strukturen und Gesetze und ein komplexes Steuersystem den unternehmerischen Alltag.

Entscheidend wird auch sein, ob es gelingt, die angestrebten Millionen neuer Arbeitsplätze zu schaffen. Die indische Regierung hat erkannt, dass es ohne erhebliche Investitionen auch aus dem Ausland nicht gehen wird, um im Produktionssektor aufzuholen. Für deutsche Unternehmen waren die Voraussetzungen für ein Investment auf dem indischen Subkontinent nie besser. W

Gastautoren:
Thomas Weidlich, LL.M., Rechtsanwalt, Partner, Head of India Desk, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH / Köln
Amrit Grewal, Attorney-at-Law (India), Senior Legal Consultant, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH / Köln

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Redaktion

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