Das Rheinland steht vor einem Kollaps im Verkehr – und dies hat massive Auswirkungen auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung Nordrhein-Westfalens: So die eindringliche Warnung der sieben Industrie- und Handelskammern (IHKs) im Rheinland (Aachen, Bonn/Rhein-Sieg, Düsseldorf, Duisburg, Köln, Mittlerer Niederrhein und Wuppertal-Solingen-Remscheid) vor den Folgen jahrelanger Investitionsversäumnisse in die Verkehrsinfrastruktur. In der Kölner Region hat insbesondere die Sperrung der Leverkusener Brücke für den Lkw-Verkehr deutlich gemacht, in welch hohem Maße nicht nur die unmittelbare Region, sondern ganz NRW von Einschränkungen der Infrastruktur betroffen ist.
Kosten für die Gesellschaft: 800 Millionen Euro pro Jahr
Von den 28 Rheinbrücken in NRW fallen zwölf in die Zuständigkeit von Straßen NRW, und davon befinden sich nur vier in „gutem Zustand“. Für die übrigen acht Rheinbrücken tickt die Uhr in Richtung Teil- oder Vollsperrungen bis hin zur Komplett-Sanierung beziehungsweise Neubau. Die Auswirkungen eines solchen Szenarios wären nicht nur für den Großraum Köln, sondern für ganz NRW fatal, so die IHKs. „Täglich fahren etwa eine Million Fahrzeuge über die Rheinbrücken in NRW. Wenn jedes dieser Fahrzeuge nur 10 Minuten täglich durch Stau, Unfälle oder gesperrte Straßen verliert, kostet es die Gesellschaft nach unseren Schätzungen jährlich über 800 Millionen Euro oder 2,2 Millionen Euro pro Tag“, rechnet Dr. Ulrich S. Soénius, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik der IHK Köln, vor.
Rheinbrücken auf der Intensivstation
Mit diesen Summen, so die IHK Köln, könnte man in jedem Jahr eine neue Leverkusener Brücke und zwei Neuenkamp-Brücken, jeweils inklusive achtspurigen Ausbaus zwischen den Anschlussstellen, bauen. Da die Leverkusener Brücke und die Brücke Neuenkamp bereits „auf der Intensivstation“ lägen, haben die IHKs auch den dauerhaften Ausfall von einer oder sogar beider Rheinquerungen geschätzt. Danach wären die Umleitungsstrecken und das nachgelagerte Netz kaum in der Lage, den zusätzlichen Verkehr aufzunehmen.
Die sieben rheinischen IHKs schätzen, dass bei einem dauerhaften Ausfall der A40-Rheinquerung an Werktagen bis zu 44.000 Fahrzeuge mehr auf der A42 und bis zu 28.000 Fahrzeuge zusätzlich auf der A44 unterwegs seien. Bei einer Totalsperrung der Leverkusener Brücke würde die A46 mit bis zu 34.000 Fahrzeugen und die A4 mit bis zu 84.000 Fahrzeugen täglich mehr belastet. Rein rechnerisch würde die Rodenkirchener Brücke im Süden von Köln dann eine Auslastung von 220 Prozent aufweisen.
Auf Baustellen sollte rund um die Uhr gearbeitet werden, so die IHKs im Rheinland
Neben der neuen Brücke sieht Ulrich S. Soénius u.a. den Ausbau des Bahnknotens Kölns zur Entlastung der Straßen und ein intensiviertes Baustellenmanagement als unabdingbare Voraussetzungen zur Verhinderung des Verkehrs-Kollapses. „Ein Anfang ist mit der Baustellenkoordinierungsrunde bei Regierungspräsidentin Walsken gemacht, aber die „Straßen NRW“ und die Städte müssen noch früher informieren sowie flexibler die Baustellen gestalten. Zudem muss noch konsequenter rund um die Uhr auf den Baustellen gearbeitet werden – erst Recht bei den Brücken“, so Soénius.
IHKs fordern: Schneller planen, besser koordinieren, intelligent lenken
Die sieben rheinischen IHKs gehen davon aus, dass der Güterverkehr im Rheinland bis zum Jahr 2030 um rund 40 Prozent zunehmen wird, der reine Transitverkehr auf der Straße sogar um bis zu 52 Prozent. Wenn es angesichts dieser Prognose nicht gelingen sollte, Liefer- und Transitverkehre sowie Logistik-Ketten aufrecht zu erhalten, würde dies Industrie und Handel in ganz NRW schaden und es käme zu einer deutlichen Minderung der Standort-Attraktivität.
Die Sperrungen auf der A1 und A40 würden schon jetzt den Transitverkehr von und zu den ZARA-Häfen (Zeebrügge, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) und in alle übrigen Landesteile erschweren. Die Forderungen der IHKs: Straßen und Brücken schneller planen, Baustellen besser koordinieren und Verkehre intelligent lenken. Zudem rufen sie die Landesregierung und die Kommunen auf, die bisherigen Aktivitäten zu intensivieren und noch besser abzustimmen. Außerdem sei auch der Bund gefordert, die Erreichbarkeit der Metropolregion Rheinland zu sichern.