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Große Sorgen im Winter

Furcht vor Energieengpässen und steigenden Preisen belastet Wirtschaft

by Redaktion

Seit dem Jahresbeginn hat sich die Geschäftslage der Unternehmen im Rheinland deutlich eingetrübt, ist aber überwiegend positiv. Dennoch spüren die Betriebe die Folgen der Coronapandemie und des Krieges in der Ukraine. Vor allem der rasante Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise macht den Betrieben in der Region zu schaffen.

Sieben Industrie- und Handelskammern im Rheinland haben ein gemeinsames Konjunkturbarometer veröffentlicht. Die IHK Düsseldorf, IHK Aachen, Bergische IHK, IHK Bonn/Rhein-Sieg, IHK Köln, IHK Mittlerer Niederrhein und die Niederrheinische IHK Duisburg-Wesel-Kleve zu Duisburg haben sich daran beteiligt. „Der russische Angriff auf die Ukraine hat spürbare Auswirkungen auf die Wirtschaft im Rheinland“, fasst Michael F. Bayer, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen, die jüngsten Ergebnisse des IHK-Konjunkturbarometers Rheinland zusammen. „Durch den massiven Anstieg der Energiepreise, in dessen Folge die Inflation drastisch angestiegen ist, und durch die teilweise immer noch fragilen Lieferketten hat die Konjunktur deutlich an Schwung verloren.“ Aktuell bewerten noch 30 Prozent der mehr als 2.700 Betriebe aus den sieben IHK-Regionen im Rheinland ihre Lage als gut. Zum Jahresbeginn 2022 waren es noch 38 Prozent. Besonders bedenklich ist der Anstieg bei den Unternehmen, die ihre Lage als schlecht beurteilen. Zwischen Frühjahr und Herbst gab es einen Anstieg um vier Punkte auf 22 Prozent. Der Lageindex, der sich aus positiven und negativen Rückmeldungen der Betriebe errechnet, ging somit um insgesamt 13 Punkte zurück und liegt nur noch bei acht Punkten. Der langjährige Durchschnittswert liegt bei 19 Punkten. Zwar ist die Gesamtlage noch positiv. Allerdings haben sich die Lage und auch der Ausblick bei vielen Betrieben klar verdüstert.

Ausblick deutlich verschlechtert

Betrachtet man das gesamte produzierende Gewerbe, so berichtet die Mehrheit der befragten Unternehmen von guten Geschäften. Die Lage ist im Allgemeinen gut. Doch ein Blick in einzelne Bereiche, wie im Baugewerbe, im Maschinen- und Fahrzeugbau oder in der Elektroindustrie, zeigt, dass ein überwiegender Teil der positiven Rückmeldungen aus diesen drei Bereichen stammt. Tatsächlich sind die Sorgen bei Industriebetrieben groß. Viele haben Furcht vor einer drohenden Gasmangellage. Jeder dritte Betrieb gab bei der Umfrage an, dass eine Produktionsdrosselung um 25 Prozent zu einer kompletten Einstellung der Tätigkeiten führen würde. Bei einem Rückgang der Produktion um 50 Prozent könnten sogar 56 Prozent der Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe nicht mehr länger produzieren. Da allerdings die Lage weiterhin noch überwiegend positiv ist, profitiert auch der produktionsorientierte Großhandel von den guten Geschäften der Industrie. Hingegen melden konsumnahe Großhändler sowie Einzelhändler derzeit überwiegend schlechte Geschäftslagen. Viele Kunden müssen sparen und streichen Ausgaben aufgrund der gesunkenen Reallöhne. Die Kaufkraft ist gesunken. Dienstleister sind überwiegend mit ihrer Geschäftslage zufrieden, allerdings geht es den Befragten aus den Bereichen Medien und Kommunikation sowie der Gesundheitswirtschaft nicht ganz so gut. Hier sind die Umfrageteilnehmer größtenteils unzufrieden mit ihren Geschäften.

Deutlich erkennbar bei der aktuellen Konjunkturumfrage der sieben IHKs im Rheinland ist, dass sich die Erwartungshaltung der Befragten im Vergleich zur aktuellen Lagebewertung deutlich unterscheidet. Während die meisten Unternehmen noch eine gute Geschäftslage melden, glauben viele Betriebe an eine deutliche Verschlechterung in den kommenden zwölf Monaten. Der Indexwert für die Erwartungshaltung der Unternehmen hat sich deutlich verschlechtert und fiel um 48 Punkte auf den Wert von -42. Damit liegt dieser Indexwert auf einem Rekordtief. Seit Datenerhebung der Rheinland-IHKs im Jahr 2003 hat es nie einen schlechteren Wert gegeben. Selbst während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 rauschte die Erwartungshaltung der Betriebe in den Keller (-39 Punkten), blieb aber dennoch über dem aktuellen Wert. Rund um die Lehman-Brother-Krise 2009 lag der Wert bei -41 Punkten. Die Werte aller drei Krisen bewegen sich damit auf einem ähnlichen Niveau. Für die aktuell besonders schlechte Erwartungshaltung für die kommenden zwölf Monate benennen die IHKs im Rheinland vor allem die Entwicklung bei den Energiepreisen. „Für 84 Prozent aller Befragten sind die massiv gestiegenen Energiekosten das größte Risiko für die weitere wirtschaftliche Entwicklung“, betont Bayer. „In der Industrie sagen das sogar 93 Prozent aller Unternehmerinnen und Unternehmer. Solch negative Werte hatten wir noch nie ermittelt.“ Nur etwa 60 Prozent der Befragten können die gestiegenen Kosten an ihre Kunden weitergeben. Der Rest bleibt derzeit auf den hohen Kosten sitzen. Und wie lange die Kunden die Preiserhöhungen akzeptieren, ist offen. „Es ist fraglich, wie lange die Kunden die Preisanstiege noch tolerieren“, warnt Bayer. Er fügt hinzu: „Insbesondere in der Industrie denken vereinzelte Unternehmen bereits darüber nach, Standorte zu verlagern, um Energiekosten zu sparen.“

Energie- und Rohstoffpreise belasten

Als Risiken und Problemstellungen nennen viele Branchen neben den stark gestiegenen Preisen für Energie und Rohstoffe auch Sorgen vor einem Nachfragerückgang. Für mehr als die Hälfte der Befragten ist der seit Jahren und unabhängig von Wirtschaftskrisen bemängelte Fachkräftemangel für die Betriebe ein Bremsklotz für die Konjunktur. Für das eigene Geschäft nennt darüber hinaus fast jeder Zweite steigende Arbeitskosten infolge laufender Tarifgespräche in vielen Branchen als Risiko. Durch die weit verbreitet geringen Hoffnungen auf gute Geschäfte sinkt auch die Bereitschaft zu Investitionen. Die konjunkturelle Entwicklung in den kommenden Monaten wird voraussichtlich wie ein Bremsklotz für Investitionspläne der Unternehmen sein. Der Investitionsindex fiel auf einen Wert von -7 Punkten. Das heißt, dass die Mehrheit der Befragten bei Investitionen Einsparungen vornehmen wollen. Besonders ausgeprägt sind die Sparpläne schon jetzt im Großhandel und in der Kunststoffindustrie. Hier gibt es kaum Investitionsabsichten. Deutlich höhere Investitionen werden hingegen von Betrieben im Papier-, Pappe- und Druckgewerbe erwartet.

Die sieben IHKs im Rheinland gehen trotz der negativen Erwartungen der Betriebe von keinen großen Veränderungen am Arbeitsmarkt aus und rechnen damit nicht mit gravierenden Veränderungen. Aktuell plant sogar jeder sechste Betrieb, mehr Beschäftigte einzustellen. Ein Fünftel der Betriebe rechnet eher mit einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen. Besonders zurückhaltend sind Personalplanende in der Kunststoffindustrie und im Einzelhandel. In der IT-Branche gibt es hingegen weiterhin einen großen Bedarf bei Fachkräften.

Die Situation vieler Betriebe im Rheinland sowie im IHK-Bezirk Köln wird auch weiterhin angespannt bleiben. „Die Unternehmen können mitten in der Energiekrise nicht planen, sie wissen nicht, welche Belastungen auf sie zukommen und welche Energie ihnen morgen noch zur Verfügung steht. Bürokratie und Regulierungen behindern die Unternehmen dabei, sich zügig auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Die hohe Inflation, die Zurückhaltung der Kunden und der zunehmende Fach- und Arbeitskräftemangel spielen daneben eine wichtige, aber eher nachgelagerte Rolle“, sagt Dr. Uwe Vetterlein, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln. „Unternehmen sind es gewohnt, mit Marktveränderungen umzugehen und sich anzupassen. Nicht kalkulierbare politische Risiken, allenthalben hemmende Regeln und bürokratische Hürden bringen sie besonders in Krisenzeiten an den Rand der Verzweiflung. Gerade jetzt kommt es auf Flexibilität und Geschwindigkeit an“, so Vetterlein. Die Geschäftslage der Unternehmen aus der Stadt Köln hat sich gegenüber der Vorumfrage zum Herbst etwas verschlechtert. 35 Prozent der Befragten aus der Domstadt gaben an, aktuell eine positive Geschäftslage zu haben. Bei der Vorumfrage waren es noch 39 Prozent. Mit 20 Prozent geben etwas mehr Betriebe an, dass ihre Lage schlecht ist (Vorumfrage: 17 Prozent). Die Erwartungshaltung der Kölner Unternehmen ist ebenfalls deutlich rückläufig. Etwa die Hälfte der Umfrageteilnehmer geht von einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung aus. Nur noch zehn Prozent glauben an bessere Geschäfte in der kommenden Zeit. Allerdings planen in der Domstadt immer noch über ein Drittel der Betriebe mit größeren Investitionen. Etwa ein Viertel will weniger investieren. 25 Prozent der Befragten wollen zusätzliche Stellen schaffen, 19 Prozent planen einen Stellenabbau.

(Christian Esser)

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