Im Gespräch mit Die Wirtschaft Köln vermittelt KVB-Vorstandsvorsitzender Jürgen Fenske einen Einblick in die Rolle seines Unternehmens als Garant für Mobilität in Köln, spricht über Sicherheit und Schwarzfahrer und skizziert zukünftige Projekte –Fahrscheinautomaten, die Geldscheine annehmen, gehören nicht dazu. Aber auch dafür gibt es gute Gründe.
Die Wirtschaft Köln: Herr Fenske, im Fernsehen gibt es den „undercover-Boss“– das heißt, ein Chef schleust sich verkleidet in eine Abteilung seines Unternehmens ein, um zu sehen, wie dort die Abläufe sind und was die Mitarbeiter so erzählen. Über ihren Job, die Vorgesetzten und den Big Boss. Fahren Sie auch ab und an mit Bussen und Bahnen der KVB, um zu sehen, wie es läuft, im wahrsten Sinne des Wortes?
Jürgen Fenske: Ich bin weder ein Enthüllungsjournalist wie Günther Wallraff, noch mag ich persönlich den Begriff „undercover-Boss“. Um die KVB live zu erleben, gehe ich ausgesprochen gerne mal am Wochenende sozusagen „auf Streife“. Dann fahre ich in die City, besonders in den Bereich Ringe und Friesenplatz, wo ja an den Abenden eine Menge los ist.
Die Wirtschaft Köln: Was sind dann die Eindrücke, die Sie mit nach Hause oder besser gesagt am Montag mit ins Büro nehmen?
Jürgen Fenske: Das, was ich sehe, ist überwiegend positiv. Es sind eher Kleinigkeiten, die passieren, die aber nicht sein müssten. Ein fehlender Abfalleimer, eine defekte Rolltreppe oder auch ein Mitarbeiter, der in dem Moment nicht ganz so freundlich war – das sind Dinge, die nehme ich mit, und die werden auch angesprochen. Nicht oberlehrerhaft, sondern im Sinne konstruktiver Kritik.
Die Wirtschaft Köln: Kritik ist auch ein gutes Stichwort zum Thema Medien. Wie fühlen Sie sich von Presse, Funk und Fernsehen behandelt?
Jürgen Fenske: Nach siebeneinhalb Jahren im Vorstand der KVB sehe ich, was die Presseresonanz angeht, deutlich mehr Haben als Soll. Unternehmen wie die Deutsche Bahn oder andere ÖPNV-Unternehmen stehen ebenso im Rampenlicht wie die KVB. Und da gilt der Grundsatz: Die 99 Prozent unserer Leistung, die wir ordentlich bringen, werden als selbstverständlich registriert, und die ein Prozent Mängel, Pannen oder Ähnliches werden zum Teil heftig kritisiert. Das will ich nicht beklagen, gibt aber ein verzerrtes Bild. Die KVB befördert werktäglich eine Million Menschen, im Jahr 276 Millionen, der Köln Bonn Airport fertigte im gesamten letzten Jahr 10,3 Millionen Passagiere ab. Das sind schon besondere Anforderungen. Insgesamt sehe ich das Unternehmen KVB von den Medien hart, aber fair behandelt.
Die Wirtschaft Köln: Ein Plus bei den Fahrgästen in 2015 von 1,1 Millionen, sprich eine Steigerung um 0,4 Prozent auf 276,2 Millionen, klingt zunächst einmal gut. München (plus 1,84 Prozent), Hamburg (plus 1,4 Prozent) und Frankfurt mit plus zwei Prozent mehr Fahrgästen konnten da besser zulegen. Woran liegt das?
Jürgen Fenske: Wir befördern mehr als 276 Millionen Fahrgäste jährlich, Potenzial wäre aber vorhanden für bis zu 400 Millionen. Eine wachsende Stadt braucht eine wachsende KVB. Dies geht nur über den Ausbau von Trassen, Gleisen und weiterer Infrastruktur. Da haben die genannten Städte deutlich vorgelegt, während Köln –Stichwort Bau der Nord-Süd-Stadtbahn – durch den Einsturz des Stadtarchivs enorm zurückgeworfen wurde. Mehr Gleise – wie in anderen Städten – heißt mehr Angebot. Und dann haben wir auch wieder höhere Wachstumsraten.
Die Wirtschaft Köln: Die Zahl der Schwarzfahrer ging erneut zurück. Die Quote dieser Art Kundschaft lag in 2015 bei 2,3 Prozent (2014: 2,79 Prozent/ 2013: 3,28 Prozent). Was Sie unter anderem auch auf die Erhöhung des erhöhten Beförderungsentgeltes von 40 auf 60 Euro zurückführen. Ist das jetzt so eine Wunschstrafsumme, oder dürfte es auch was mehr sein?
Jürgen Fenske: Beim Rückgang der Schwarzfahrer-Quote, die ja früher sogar bei sechs Prozent lag, musste ich mehrmals hingucken, in Statistiken blättern und die Fachabteilung befragen. Aber sie stimmt, und dabei ist nicht die Erhöhung des Bußgelds entscheidend, sondern die Erweiterung der Kontrollen. Wir hatten einerseits Teams für die Fahrausweiskontrolle, andererseits Kollegen, die für die Sicherheit sorgten. Letztere haben wir zusätzlich in die Ticketkontrolle mit einbezogen, wenn es die Situation ermöglicht, sodass insgesamt rund 240 Kollegen die Tickets kontrollieren, 90 mehr als zuvor. Um die Erhöhung des „Schwarzfahrertarifs“ wurde jahrelang gekämpft, mit 60 Euro sind wir im europäischen Vergleich immer noch in der Tabelle einer Europaliga im unteren Tabellendrittel angesiedelt. Wien nimmt ein Bußgeld von 100 Euro, und das wird akzeptiert. Ich sage nicht, dass ich 100 Euro von Schwarzfahrern haben will, aber es dürfte durchaus auch mehr als die aktuellen 60 Euro sein.
Die Wirtschaft Köln: Wie sehen Sie das Thema Sicherheit in Bussen und Bahnen, an Haltestellen und in den U-Bahnhöfen? Gibt es da eine Problematik?
Jürgen Fenske: Die KVB ist objektiv kein Brennpunkt für Straftaten. Wenn aber einmal etwas passiert, dann ist das natürlich sofort Stadtgespräch. Es geht aber auch um das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen. Ich kann nachvollziehen, wenn Menschen in U-Bahn-Haltestellen aus den 70er-Jahren wie etwa in Deutz, die auch noch durch Graffitis verunstaltet sind, gerade in den späten Abendstunden ein mulmiges Gefühl haben. Wenn wir aber auf die neuesten Stationen blicken, haben wir in Sachen Architektur eine 180-Grad-Wendung vollzogen. „Heumarkt“, „Chlodwigplatz“, „Bonner Wall“, das sind großzügige Bauwerke, transparent, lichtdurchflutet, mit viel Glas und, wo immer es möglich war, auch durch das Tageslicht hell gestaltet. Die permanente Videoüberwachung leistet ihren Teil, damit die Fahrgäste sich sicher fühlen.
Die Wirtschaft Köln: Dass die neue Generation der Fahrkartenautomaten, die gerade angeschafft werden, noch immer keine Scheine annehmen, ist von weiten Teilen der Kölner Bürger nicht gut angenommen worden. Fehlt da nicht ein wenig das Fingerspitzengefühl?
Jürgen Fenske: Die KVB macht, wie alle Unternehmen des ÖPNV weltweit, jährlich ein Minus. Also sind wir gehalten, den Zuschuss so gering wie möglich zu gestalten. Automaten, die Geldscheine akzeptieren, wären in der Anschaffung vier Millionen Euro teurer gewesen, für die Bewirtschaftung wären jährliche Kosten von 400.000 Euro hinzugekommen. Die jetzt neu installierten Modelle akzeptieren Geldkarte und EC-Karte, außerdem alle gängigen Kreditkarten. Die ersten neuen Automaten sind draußen. Unsere Erwartung ist eingetroffen. Die Kritik, dass die neuen Automaten keine Geldscheine annehmen, ist verstummt. Das Handyticket und digitale Fahrausweise sind im Vormarsch. Bedenkt man, dass die Lebensdauer eines Ticketautomaten im Schnitt 15 Jahre beträgt, heißt das, wir installieren momentan die letzte Generation – in 15 Jahren wird in Bussen und Bahnen nur noch bargeldlos bezahlt werden.
Die Wirtschaft Köln: Es gibt einige Denkmodelle und Planungen zum weiteren Ausbau der Stadtbahnen: der Ausbau der Ost-West-Achse mit Vergrößerung der Haltestellen für längere Züge, damit einhergehend der Plan, die Linie 1 von Merheim nach Neubrück zu erweitern. Oder die Linie 13 von Klettenberg bis zur „Bonner Straße“ zu verlängern. Ebenso ist eine Linie, die vom „Wiener Platz“ aus Flittard bedient, ein Planungspunkt. Welches dieser Modelle sehen Sie am ehesten umsetzbar?
Jürgen Fenske: All das sind Projekte, die bis 2030 fertiggestellt sein sollen. Die Ost-West-Achse stößt an ihre Kapazitätsgrenze, die Planung wird allmählich konkreter und bedeutet eine städtebauliche Herausforderung, die bis 2025 umgesetzt sein soll. Wenn dann auch die anderen erwähnten Projekte bis 2030 umgesetzt sind, dann sind die bereits eingangs von mir erwähnten 400 Millionen Fahrgäste keine Utopie mehr.
Die Wirtschaft Köln: Welche Finanzvolumen stehen da im Raum, wie sieht die Finanzierung solcher Projekte aus?
Jürgen Fenske: Eine Milliarde Euro für diese Wachstumsprojekte, hinzu kommt eine weitere Milliarde für die Erhaltung der Infrastruktur. Also zwei Milliarden Euro, da muss es bei der bisherigen Finanzierung durch das sogenannte Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetz bleiben. Bis zu 90 Prozent der Kosten kann der Bund übernehmen. Der deutsche ÖPNV hängt an diesem Förderweg.
Die Wirtschaft Köln: Übergeordnet sprechen Sie von „Köln mobil 2025“, mit dem erklärten Ziel, dass je ein Drittel der Mobilität auf den ÖPNV, den Autoverkehr sowie Fußgänger und Radfahrer entfällt. Auf welchem Weg kann man dahin gelangen?
Jürgen Fenske: Die Faustformel mit der Drittelung ÖPNV, Auto und Radfahrer haben wir gemeinsam mit der Stadt Köln formuliert, Vorbild ist dabei Kopenhagen. Dazu müssen die genannten Maßnahmen bei der KVB umgesetzt werden, zudem muss die Stadt den Ausbau der Radwege vorantreiben.
Die Wirtschaft Köln: In welchen Zyklen denkt die KVB?
Jürgen Fenske: Wenn ein Planfeststellungsverfahren innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen ist, dann ist das grundsätzlich akzeptabel. Die folgende Bauzeit hängt dann natürlich stark vom Verlauf der Trasse ab, Brücken oder Tunnel etwa sorgen für eine Verschiebung nach hinten.
Die Wirtschaft Köln: Geht es in Köln nur mit einer Citymaut, um Autofahrer auf die Alternativen umsteigen zu lassen?
Jürgen Fenske: Es gibt auch andere Wege. Parkraumbewirtschaftung nach dem Modell Köln bedeutet ja nichts anderes als hohe Preise fürs Parken. Dann haben wir die Vorrangschaltung für die Bahnen, leider keine separaten Busspuren wie etwa in Berlin. Die Frage, die sich stellt, ist: Was erlauben wir uns in Köln an Verblechung in der Stadt?
In Tokio beispielsweise fließt alles, weil nur 20 Prozent des Verkehrs mit dem Auto bewältigt werden. Der Rest läuft per Bahn und U-Bahn sowie mit Bussen. Wenn das Angebot stimmt, und dazu gehört auch ein optimales Radwegesystem, dann wird die Zahl der Autos in der Stadt zurückgehen, dann brauchen wir auch keine Maut.
Ich persönlich kann mir eine Citymaut vorstellen, auch wegen des Ringstraßensystems in Köln. Aber wir sind nun mal auch ein Autoland, da muss man dicke Bretter bohren, um Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen.
Die Wirtschaft Köln: Wenn Sie nicht gerade Vorstandsvorsitzender der KVB wären, welchen Job würden Sie sonst am liebsten im Unternehmen machen? Und: Was war Ihr Traumberuf in Kindertagen?
Jürgen Fenske: Ich bin seit mehr als sieben Jahren hier, trotz der Katastrophe des Archiveinsturzes empfinde ich es als großes Glück, die Geschicke der KVB leiten zu können. Als Kind war mein Traumberuf Rennfahrer. Früher nahm mein Onkel mich immer mit zum 24-Stunden-Rennen ins belgische Spa Francorchamps, die Atmosphäre, gerade nachts, die Spannung an der Rennstrecke, das wollte ich gerne als Rennfahrer erleben.
Die Wirtschaft Köln: Zum Schluss darf die gute Fee ran, die aber auch nicht mehr die Alte ist und nur noch zwei Wünsche parat hat. Welche wären das – einmal für Ihr Unternehmen und einmal für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt?
Jürgen Fenske: Allzeit gute Fahrt – für die KVB und damit ja auch für alle Kölnerinnen und Kölner.
Autor: Eugen Weis
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