Johann Maria Farina betreibt das Familienunternehmen in 8. Generation, seine Tochter Louise steht bereits in den Startlöchern, ebenfalls tiefer in das Business einzusteigen. Es gibt kaum ein Unternehmen, das auf eine derart lange Tradition zurückblicken kann. Im Kammerbezirk Köln der IHK ist Farina das älteste Unternehmen. Und auch im Kölner Karneval, der aus der Geschichte der Stadt nicht wegzudenken ist, gehört die Familie zu den Gründungsvätern. Ob juristische Prozesse, Coronapandemie, Rohstoffkrise oder Nachhaltigkeitsdebatten: Farina trotzt seit jeher Herausforderungen jedweder Art und meistert sie mit Bravour.
Im Gespräch mit DIEWIRTSCHAFT erzählt Geschäftsführer Johann Maria Farina unter anderem darüber, wie sich eine Marke durchsetzt, bevor es Markenrechte gab und wie eng das Unternehmen mit Köln verwurzelt ist.
DIEWIRTSCHAFT: War für Sie immer klar, dass Sie das Familienunternehmen übernehmen wollen würden?
Johann Maria Farina: Für mich war es schon im Jugendalter das Ziel Eau de Cologne und Parfüms herzustellen. Dass ich mal der geschäftsführende Gesellschafter des ältesten Parfüm Hauses werden würde, war ein langer Weg.
DIEWIRTSCHAFT: Wie gehen Sie mit der Verantwortung um, ein weltweit erfolgreiches und bekanntes Unternehmen in 8. Generation zu leiten?
Johann Maria Farina: Es ist Ansporn und Last zugleich. Die Tradition und die Leistung der vorhergehenden Generationen treiben einen an, es mindestens gleich gut zu machen.
DIEWIRTSCHAFT: Viele Familienbetriebe sterben aus, da sich die nächste Generation oft ganz bewusst von der älteren Generation abgrenzen will. Bei Farina findet sich seit mehr als 300 Jahren immer jemand, der das Unternehmen leiten möchte. Auch Ihre Tochter Louise bereitet sich bereits darauf vor, mehr Verantwortung bei Farina zu übernehmen. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass sich immer jemand aus der Familie findet, der das Unternehmen übernehmen möchte?
Johann Maria Farina: Es ist die große Parfüm Geschichte, die es wert ist, weiter geführt zu werden. Alle Familienmitglieder waren über Generationen stolz ein Teil davon zu sein. In diesem Bewusstsein aufgewachsen, fanden sich immer wieder passionierte Abkömmlinge des Gründers, die ihr Leben ganz der Sache der Eau de Cologne widmen wollten.
DIEWIRTSCHAFT: Nach der Gründung im Jahre 1709 gab es zunächst keinen abgesicherten Schutz der Marke Farina, was ab der 3. Generation seinerzeit zu vielen Nachahmern – nicht zuletzt 4711 – führte. Dennoch hat sich Farina durchsetzen und über mehrere Jahrhunderte etablieren können. Was glauben Sie, ist der Grund dafür? Wodurch unterscheidet es sich von etwaigen Wettbewerbern, ggf. weltweit?
Johann Maria Farina: Anfang des 18. Jahrhunderts gab es noch keinen Markenbegriff. Nur Produktfälschungen, die den Verbraucher schädigten wurden verfolgt. Als Johann Maria Farina (1685-1766) seinen Duft EAU DE COLOGNE nannte, schuf er damit eine Marke zur Unterscheidung von anderen Duftwässern. Der Erfolg brachte es aber mit sich, dass auch andere an dem Erfolg partizipieren wollten und den bekannten Namen nutzten. So wurde Eau de Cologne, bevor überhaupt eine Markengesetzgebung entstand, zum Gattungsbegriff einer ganzen Duftklasse. Damit dies nicht auch mit unserem Firmenname FARINA passierte, hat sich bereits die 3. Generation im Unternehmen aktiv an der Etablierung von Rechtsnormen des geistigen Eigentums eingesetzt. Beginnend mit dem Fabriksiegelschutz 1811 nach Code Civil noch unter Napoleon und später mit den nationalen Markenhinterlegungen in allen Europäischen Ländern, besitzt Farina heute mit über die ältesten Markenrechte überhaupt. Die Seniorität unterscheidet uns von anderen.
DIEWIRTSCHAFT: Was macht für Sie einen guten, zeitlosen Duft aus?
Johann Maria Farina: Erst wenn ein Duft über Jahrzehnte – oder wie in unserem Fall Jahrhunderte überdauert hat – ist er wohl zeitlos. Es ist wie mit der Mode oder dem Essen. Der Duft muss anwendbar sein. Nicht zu aggressiv, Harmoniebedürfnis deckend und er soll spätestens nach ein paar Stunden verflogen sein.
DIEWIRTSCHAFT: Sie sind u.a. Parfümeur. Inwiefern spielt das eine Rolle für einen Duft, an dessen Rezeptur nichts geändert wird?
Johann Maria Farina: Die Rezeptur ist eine Arbeitsanweisung zur Herstellung. Jede Ernte der etherischen Öle riecht anderes. Hier ist der Parfümeur gefragt. Um jedoch einen immer gleichbleibenden Duft herzustellen, bedarf es einer Anpassung. Wie bei anderen Naturprodukten, wie z.B. Champagner oder Cognac, wird durch Verschneiden verschiedener Anbauflächen der gleiche Duft erreicht. Das Geheimnis der Original Eau de Cologne sind die Zutaten, die Herkunft der Zutaten und die Fähigkeit diese entsprechend zu mischen.
DIEWIRTSCHAFT: Hand aufs Herz: Tragen Sie selbst auch einen Duft von Farina?
Johann Maria Farina: Gerne benutze ich alle unsere Düfte, aber erst abends oder unterwegs, wenn meine Nase nicht mehr gefragt wird. Während der Arbeit würde ein aufgetragener Duft die Duftwahrnehmung verzerren. Am liebsten von allen nehme ich aber das Original Farina Eau de Cologne.
DIEWIRTSCHAFT: Köln und Farina sind fast untrennbar miteinander verbunden. Wie sehen Sie die Rolle Ihres Unternehmens in der Förderung des Kölner Tourismus und der Wirtschaft?
Johann Maria Farina: Eau de Cologne, meistens als Cologne abgekürzt, ist heute bekannter als Köln. Viele verbinden ihr Cologne nicht mehr mit Köln, aber die Touristen, die nach Köln kommen, suchen neben dem Dom auch Eau de Cologne. Somit sind wir international ein guter Botschafter für Köln.
DIEWIRTSCHAFT: Inwiefern profitiert Farina von dem Wirtschaftsstandort Köln, welche Vorteile ergeben sich aus der geografischen Lage und der Kaufkraft dieser Region?
Johann Maria Farina: Die Lage Kölns mit vielen Universitäten im Umkreis von 100 Kilometer und einem hohen Anteil gut ausgebildeter mehrsprachiger Fachkräfte hilft uns immer die richtigen Mitarbeiter zu finden. Die Verkehrssituation und das Erscheinungsbild der Stadt Köln wird mittlerweile immer mehr zum Standortnachteil. Durch die ideologisch motivierte Verkehrsbehinderung wird die Kaufkraft der Region bewusst vom Stadtgebiet ferngehalten.
DIEWIRTSCHAFT: Gibt es auch regionale Handelspartner, mit denen Sie zusammen arbeiten, um die lokale Komponente ihrer Marke stärker zu betonen?
Johann Maria Farina: Leider nicht mehr. Außer dem Alkohol und ein kleiner Teil der Verpackungen, kommen alle Bestandteile unsere Produkte aus dem Ausland.
DIEWIRTSCHAFT: Die Parfümindustrie hat unter der Pandemie enorm gelitten. Monate lange Lockdowns und der zunehmende Einzug von Homeoffice ins Arbeitsleben haben dafür gesorgt, dass viele Menschen auf Düfte verzichtet haben. Sind die Auswirkungen dieser Zeit noch immer zu spüren oder hat es sich inzwischen wieder eingependelt?
Johann Maria Farina: Der Corona Lockdown und die weltweite Kaufzurückhaltung waren 2,5 Jahre dramatisch. Aber erstaunlicherweise ist die Nachfrage dieses Jahr sogar höher als vor Corona. Die Krise ist für uns vollständig überwunden.
DIEWIRTSCHAFT: In den vergangenen Jahren sind Rohstoffpreise, insbesondere für Glas, enorm gestiegen: Wie haben Sie das abfedern können?
Johann Maria Farina: Wir lassen deshalb nicht mehr unsere Glasflaschen in Deutschland fertigen, sondern gehen teilweise bis nach Indien und Mexico. Bei besonderen hochwertigen Flacons ist die Normandie in Frankreich trotz Preisanstieg nicht zu ersetzten. Bei den etherischen Ölen haben sich die Preise teilweise wieder erholt. Grund ist auch, dass manche Hersteller wieder zurück zu synthetischen Duftstoffen gehen.
DIEWIRTSCHAFT: Das Thema Corporate Social Responsibility wird für Unternehmen immer wichtiger. Welche Maßnahmen hat Farina in dieser Hinsicht schon unternommen und sind weitere Schritte geplant?
Johann Maria Farina: Das Thema ist für uns nicht neu einzuführen. Schon in französischer Zeit war ein Mitglied der Familie im Magistrat für die Armenversorgung und Hospitäler zuständig. Farina hatte schon im 19. Jahrhundert eine Rentenunterstützungskasse, lange bevor der Staat solche Dinge einführte. Firma und Familie haben sich über die letzten 300 Jahre sowohl in sozialen wie auch kulturellen Bereichen aktiv betätigt. Sei es der Kölner Karneval 1823, bei dem mein Urururgroßvater das festordnende Komitee mitgegründet hat und einen entfernten Neffen als ersten Held Carneval inthronisiert hat, oder die Erstellung der Flora, des Kölner Zoos sowie die Dombau Fertigstellung. Überall war die Familie aktiv mit erheblichen Mitteln unterstützend dabei.
DIEWIRTSCHAFT: Auch ein Traditionsunternehmen muss sich immer wieder neu erfinden: Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Tradition und Innovation?
Johann Maria Farina: Wir verbessern ständig alle Prozesse zur Herstellung. Auch bei der Verpackung, sei es die Sprühpumpen, die Flacons oder die Faltschachtel. Vorgabe ist möglichst nur noch Glas, Metall und Papier zu verwenden und das Gewicht zu reduzieren. Überall werden Verbesserungen gemacht und alle verfügbaren Innovationen genutzt. Nachhaltigkeit wurde schon immer im Unternehmen beachtet. Das ist bei den Rohstoffen eine ganz natürliche Art, dauerhaft den Nachschub zu garantieren. Entscheidend ist aber, dass Veränderungen, die mit Verbesserungen einhergehen sollen, nach außen möglichst nicht erkennbar sein sollten. Das Produkt muss für den Kunden gleichbleiben.
DIEWIRTSCHAFT: Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für Farina in der sich ständig wandelnden Parfümindustrie in den kommenden Jahren?
Johann Maria Farina: Die größte Herausforderung für die Haut Parfümerie ist es, die ständig verschärften gesetzlichen Vorgaben der EU bei der Verwendung von natürlichen Duftstoffen zu erfüllen. Die Konsequenz ist für viele große Parfümhersteller ganz einfach auf unproblematische künstliche Rohstoffe zu setzten. Das Gegenteil von dem, was der Verbraucher eigentlich möchte. Aufgrund der Alleinstellung unserer Geschichte sehe ich uns als Familienunternehmen, das nicht kopiert werden kann und Parfüm als Kulturgut bewahrt.
(Jana Leckel)
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe DIE WIRTSCHAFT 07.2023
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