Im Bereich IT und Informatik klafft bereits seit Jahren eine gewaltige Fachkräftelücke. Aktuell fehlen laut dem Digitalverband Bitkom knapp 140.000 IT-Expertinnen und Experten quer durch alle Branchen.
Oder anders ausgedrückt: Die Branche boomt; kein anderes Berufsfeld ist innerhalb der vergangenen zehn Jahre so stark angewachsen wie das rund um IT und Informatik. Die digitale Transformation in Unternehmen nimmt Fahrt auf, entsprechend groß ist der Bedarf an qualifizierten Fachkräften; die Beschäftigungszahlen sind in den vergangenen zehn Jahren um rund 500.000 Arbeitsplätze gestiegen.
Während auf der einen Seite versucht wird, den Bedarf langfristig durch neue Studiengänge zu decken, hofft die Bundesregierung auf rettende Kooperationen mit Kenia.
„Diese und ähnliche Maßnahmen werden nicht den gewünschten Effekt haben“, sagt Akan Yüzügüzel. Er ist Gründer und Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Dev Abo mit Sitz in Mannheim. Er weiß als IT-Experte um die steigende Nachfrage und den hohen Bedarf der Unternehmen, sagt aber auch: Mehr Studiengänge und ein breiteres Angebot an Qualifikationsmöglichkeiten können nicht die alleinige Lösung sein.
Denn nur weil Fachkräfte einem nicht die Tür einrennen, hieße das nicht, dass sie per se nicht da seien. Blickwinkel und Angebotsdefinition müssten sich anpassen. So titelte auch das Handelsblatt vor einigen Wochen, Unternehmen müssten ein klares Signal an den Arbeitsmarkt senden. „Nicht nur, wen sie suchen, sondern auch die einzelnen Jobbezeichnungen müssen verstanden sein“, schrieb Mona Fromm und nahm damit auch ganz klar die Unternehmen in die Pflicht.
Laut Akan sei eine andere Herausforderung sicherlich auch die fehlende Transparenz in puncto Länge des Beschäftigungsverhältnisses. „Oft ist der Bedarf an IT-Kräften innerhalb eines Unternehmens schwankend. Die Nachfrage an Mitarbeitern ist dann abhängig von den gerade laufenden Projekten, für kurzfristige Beschäftigungen ist es natürlich auch schwieriger, ein Team aufzubauen und zur Verfügung zu stellen.
Auch die Idee, sich Personal aus dem Ausland zu holen, gestalte sich laut dem Mannheimer Experten als schwierig. „Nicht nur in Bezug auf die Sprachbarriere gibt es Probleme, auch hinsichtlich der Arbeitsweise sowie der -moral sind enorme Unterschiede zu bedenken. Dies zieht den Qualitätsanspruch mit ein“, so seine Erfahrungen.
Dennoch ist es in etwa der Ansatz, den auch DevAbo verfolgt. Er und sein Geschäftspartner Akram Waseem bauen derzeit einen Zweitsitz in Pakistan auf. Das 231 Millionen Einwohner-Land holt in Sachen Computerfachleute extrem auf.
Das ist keine neue Erkenntnis: schon vor Jahren wurde von vielen Unternehmen versucht, sowohl in Pakistan als auch in Indien, wo inzwischen mehrere Millionen Fachkräfte auf einen Einsatz warten, mit Zweigstellen Fuß zu fassen. Gescheitert sind viele am kulturellen Gap. „Für große Unternehmen ist dies kein Problem, viele kalkulieren die mitunter chaotischen Arbeitszustände sogar mit ein oder nehmen diese zumindest in Kauf“, erklärt Akan. Für finanziell weniger gut aufgestellte Unternehmen sei ein Recruiting allerdings nicht rentabel.
Auch DevAbo sind die Herausforderungen bekannt, möglich ist die Arbeit mit Fachkräften aus Pakistan, weil Akram als gebürtiger Pakistani zurück in seine Heimat gezogen ist, wo er in Islamabad aktuell ein 3.000 Quadratmeter großes Büro ausbaut. Von dort aus sollen die Fachkräfte für verschiedene Projekte eingesetzt werden.
Das Ganze, so erklärt Akan, lässt sich mit Body Leasing vergleichen. Akan und Akram stellen die Teams nach Bedarf für andere Unternehmen gemäß deren Projektanforderungen und -dauer zur Verfügung. Ansprechpartner die Umsetzung bleiben die Geschäftsführer, womit die bislang angesprochenen Probleme für Auftraggeber nicht mehr „für Kopfschmerzen“ sorgen. „Das ist tatsächlich unser USP!“
Was bleibt, sind neben der niedrigeren Personalkosten, eine maximal flexible Einsatzplanung sowie ein beinahe täglich wachsender Pool an Entwicklern. „Wir haben pro Monat über 250 Bewerber“ sagt Akan. „Das Problem Fachkräftemangel ist für uns daher nicht existent!“ Aktuell hat Dev Abo konstant über 30 Entwickler in festen Projektverhältnissen vermietet.
“Die Idee ist unendlich skalierbar“, freuen sich die Geschäftsführer. Dabei ist diese eher auf einen Gefallen gegründet. 2020 war es ein langjähriger Kunde von Akan, dem gerade ein Entwickler abgesprungen sei. Da er kurzfristig die Lücke füllen musste, half Akan aus. „Wir haben ein großes Netzwerk, das nach Spanien, Portugal, Italien, die Türkei und eben nach Pakistan reicht – als IT-Nerds, wie wir es sind, kennt man sich untereinander“, schmunzelt der Geschäftsführer.
Es sei selbstverständlich, dass man sich untereinander aushelfe. Zudem profitieren von dieser Lösung der „Abo-Ausleihe“ beide Seiten. „Es gibt kein Risiko“, so Akan, der seinen Fokus derzeit voll auf Pakistan legt, aber langfristig auch Zweigstellen in Europa gründen möchte. Damit könnte das Schreckgespenst „Fachkräftemangel“ das werden, was es nach Akan und Akram jetzt schon ist: eine Worthülse. Oder: „Wer ein bisschen weiter denkt, findet sehr oft sehr einfache Lösungen.“
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