Deutschland klagt seit vielen Jahren über einen massiven Fachkräftemangel, der sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird. Eine mögliche Lösung für Unternehmen könnte sein, Mitarbeiter, die bereits über Berufserfahrung verfügen, im Rahmen des Qualifizierungschancengesetz in eine berufsbegleitende Maßnahme zu entsenden. Dort werden ihnen die nötigen Kenntnisse vermittelt, um eine sogenannte Externenprüfung bei der IHK ablegen zu können. Die Wirtschaft sprach mit Regine Bernards von der Bernards Akademie für berufliche Weiterbildung in Bonn über diese Möglichkeit und deren Vorteile für die Unternehmen.
Die Wirtschaft: Frau Bernards, Sie sind selbstständige Unternehmerin und beschäftigen sich mit Bildung, Qualifizierungen und Coaching. Was hat es mit dem Thema „Externenprüfung“ auf sich und warum ist dieses Thema gerade jetzt und für die Zukunft von so enormer Wichtigkeit?
Regina Bernards: Seit Jahren verzeichnen wir in diesem Land einen enormen Fachkräftemangel, der sich aufgrund des demografischen Wandels in Zukunft eher noch verstärken wird. Schon jetzt suchen Unternehmen und ganze Branchen nach gut ausgebildeten Mitarbeitern. Als Unternehmerin und Bildungsanbieterin sehe ich es als meine Aufgabe an, diesem Vakuum entgegenzuwirken. Eine gesunde und prosperierende Volkswirtschaft braucht leistungsfähige und sich im Wettbewerb behauptende Unternehmen. Und diese wiederum brauchen qualifizierte Arbeitskräfte.
Zudem sind Unternehmer gut beraten, wenn sie über Instrumente verfügen, die zur Mitarbeiterbindung beitragen. Damit sichern sie sich die immer weniger werdenden Talente und steigert somit ihre Wettbewerbsfähigkeit. In den Branchen Hotellerie, Gastronomie und Pflege hat diese besorgniserregende Entwicklung längst Einzug gehalten. Deutschland ist eines der wenigen Länder in der Welt, das Bildung und Qualifizierung vollumfänglich fördert. Diese Fördermittel müssen nur abgerufen werden. Unsere Aufgabe besteht darin, den Unternehmen die Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen und unseren Beitrag zu leisten.
Fünf Jahre Berufserfahrung Voraussetzung
Die Wirtschaft: Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um einen Mitarbeiter in diese abschlussorientierte Qualifizierung zu entsenden?
Regina Bernards: Das Qualifizierungschancengesetz macht es Unternehmen erst möglich, ihre Mitarbeiter in sechs Monaten kostenneutral zu qualifizieren. Ferner muss der zu fördernde Mitarbeiter über eine fünfjährige Berufserfahrung in dem zu prüfenden Beruf verfügen. Mit den Arbeitszeugnissen des Arbeitgebers kann der Mitarbeiter einen Antrag auf Prüfungszulassung bei der jeweiligen IHK stellen. Auch hier beraten und unterstützen wir. Der Impuls muss allerdings vom Unternehmer selbst ausgehen. Er muss ein Interesse daran haben, seine Mitarbeiter zu Fachkräften qualifizieren zu wollen. Damit positioniert er sich als Förderer des Mitarbeiters und erhöht die Chancen, dass sich der Mitarbeiter auch langfristig ans Unternehmen zu binden bereit ist.
Die Wirtschaft: Für welche Berufsgruppen und/oder Branchen kommt diese Qualifikation infrage?
Regina Bernards: Diese prüfungsvorbereitenden Qualifizierungsmaßnahmen gelten für nahezu alle Berufsbilder unseres dualen Bildungssystems. Wir als Akademie können die Mitarbeiter der Unternehmen in mehr als 40 Ausbildungsberufen ganz gezielt auf die Abschlussprüfung vorbereiten.
Die Wirtschaft: Welche Lerninhalte werden in diesen sechs Monaten vermittelt und werden die Teilnehmer auch auf die Prüfung vor der IHK vorbereitet?
Regina Bernards: Die Lerninhalte richten sich nach dem Ausbildungslehrplan privater und öffentlich-rechtlicher Berufsschulen aus und werden in der Zeit von sechs Monaten komprimiert vermittelt. Dahinter steckt die Idee, dass ungelernte oder nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiter durch die mehr als fünfjährige Tätigkeit im Unternehmen über sämtliche praktische Erfahrungen verfügen; nur der schulische Part fehlt, um einen IHK-anerkannten Abschluss zu erhalten.
Wir vermitteln das Wissen in den Fächern Wirtschaft, Rechnungswesen und Sozialkunde. Als ISO-zertifizierte und durch die IHK anerkannte Bildungseinrichtung verfügen wir über ein langjähriges Know-how in der gezielten Prüfungsvorbereitung der Teilnehmer.
Qualifizierung erfolgt berufsbegleitend
Die Wirtschaft: Muss der Unternehmer denn für die Dauer der Qualifikation auf den Mitarbeiter verzichten?
Regina Bernards: Selbstverständlich nicht. Alle Lernangebote unserer Akademie sind berufsbegleitend zu belegen. Auf diese Weise bleibt ihnen der zu qualifizierende Mitarbeiter im Unternehmen und Tagesgeschäft erhalten.
Die Wirtschaft: Sind diese Maßnahmen förderfähig und unterstützen Sie auch bei der Administration?
Regina Bernards: Sind alle Voraussetzungen gegeben, so ist diese abschlussorientierte Qualifizierung bis zu 100 Prozent förderfähig. Sollten Sie zudem Ihren Mitarbeiter zur Prüfungsvorbereitung freistellen, so können Sie bei der zuständigen Arbeitsagentur für Arbeit zusätzlich einen Antrag auf Lohnkostenzuschuss beantragen. Auch dabei unterstützen wir die Unternehmer.
Die Wirtschaft: Wie erklären Sie sich, dass so wenige Unternehmer Kenntnis von diesen Möglichkeiten besitzen?
Regina Bernards: Die Arbeitsagentur hat nur eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitern, die in der Regel kaum bis gar nicht im Arbeitgeberservice tätig sind. Die personellen und organisatorischen Kapazitäten der Arbeitsagenturen reichen meist nicht aus, um sich neben den Arbeitssuchenden auch noch um die Unternehmen kümmern zu können. Aus diesem Grund haben wir es uns als Akademie zur Aufgabe gemacht, diesen Job zu übernehmen und die Unternehmer direkt anzusprechen. Mit diesem bundesweiten Angebot leisten wir unseren Beitrag zur Fachkräftesicherung und widersetzen uns dem sich fortentwickelnden Fachkräftemangel.
Bildquellen
- Weiterbildung: Bild von Andre_Grunden auf Pixabay