Der Arbeitsmarkt steht in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten vor großen Herausforderungen. Ob Fachkräftemangel, die fortschreitende Digitalisierung oder auch das Streben der Arbeitnehmer nach einer gesunden Work-Life-Balance – sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer müssen einen Weg finden, um ihre Ziele gemeinsam zu verwirklichen. Florian Hornig, Happylife.Coach und Gründer von „Simplicity Of Happiness“, berät Führungskräfte und Entscheidungsträger in Unternehmen, aber auch Arbeitnehmer dahin gehend, wie diese Ziele gewinnbringend für beide Seiten erreicht werden können. w hat mit ihm über die Schwierigkeiten, aber auch die Chancen, die die Änderungen des Arbeitsmarktes mit sich bringen, gesprochen.
DIE Wirtschaft: Hallo Herr Hornig, wir treffen uns zu diesem Gespräch ja nicht persönlich. Wo befinden Sie sich momentan?
Florian Hornig: Ich befinde mich auf meiner Segeljacht im Mittelmeer. Zurzeit halte ich mich in Bandol in der Provence auf. Ich liebe die Freiheit, je nach Jahreszeit den Aufenthaltsort wechseln zu können und eventuell sogar das Boot für einige Monate an Land stellen zu können, um währenddessen zu verreisen. Allerdings hat das, wie vieles andere im Leben, auch seinen Preis. Die Freiheit und Flexibilität bezahle ich sozusagen mit einer gewissen Unsicherheit, weil ich mich meistens nach Wind und Wetter richten muss.
DIE Wirtschaft: Worauf konzentrieren Sie sich in Ihrer Arbeit als Coach?
Florian Hornig: Was ich spannend finde, ist, wenn Menschen realisieren, dass sie sich in ihrem Leben nicht dort befinden, wo sie gerne wären. Häufig sind dies von außen betrachtet sehr erfolgreiche Menschen. Da zeigt sich allerdings schon, dass Erfolg sehr subjektiv ist und unterschiedlich wahrgenommen werden kann. Für das eigene Empfinden ist vorrangig, ob sich die Realität mit der Erwartungshaltung deckt. Hindernisse aufzudecken und gemeinsam mit meinen Klienten einen Weg zu erarbeiten, hierbei eine bessere Passung zu erreichen, begeistert mich. Die überwiegende Mehrheit meiner Kunden sind deshalb Führungskräfte und Entscheidungsträger in Unternehmen, vor allem Unternehmer. Diese sind nämlich bereit, Geld in die Hand zu nehmen, um ihre Ziele, die häufig in oder mit dem Unternehmen liegen, zu erreichen. Obwohl ich also den Ansatz einer sehr persönlichen Kundenbeziehung pflege und der Mensch für mich im Vordergrund steht, beschäftige ich mich meistens mit der Umsetzung in Unternehmen.
DIE Wirtschaft: Was sind typische Themen, die von den Unternehmern an Sie herangetragen werden?
Florian Hornig: Es gibt natürlich immer das Tagesgeschäft, und wenn es dort zu Missverständnissen oder sogar Vorfällen mit Mitarbeitern kommt, besprechen wir diese. Wesentlich interessanter ist aber das strategische Denken, das die meisten Unternehmer auszeichnet. Viele fragen sich, welche Entscheidungen sie heute schon treffen müssen, um das Unternehmen auch morgen wettbewerbsfähig zu halten. Das sind häufig große Ängste und längere Diskussionen bei den unzähligen Herausforderungen, vor denen wir momentan stehen.
DIE Wirtschaft: Was halten Sie für die größte Herausforderung für die Arbeitswelt in Deutschland?
Florian Hornig: Immer mehr Arbeiten werden maschinell erledigt. Allerdings erfordern das Managen, Bedienen oder Programmieren immer mehr spezifisches Fachwissen. Außerdem werden allein in Deutschland bis 2050 über zehn Millionen Arbeitskräfte fehlen. Das A und O der Unternehmen in Deutschland ist die Qualität ihrer Mitarbeiter, und im Zuge der demografischen Entwicklungen und zunehmenden Spezialisierung ist die größte Herausforderung auf jeden Fall das Finden und Halten von qualifizierten Mitarbeitern.
DIE Wirtschaft: Was meinen Sie mit Finden und Halten?
Florian Hornig: Ich coache mittlerweile regelmäßig Menschen, die ihren Arbeitgeber wechseln wollen, darin, wie sie ihren zukünftigen Arbeitgeber richtig interviewen. Somit kommt zunehmend das Unternehmen in die Situation, sich bei guten Arbeitnehmern zu bewerben, als andersherum. Das kann man nun gut oder schlecht finden, es spiegelt aber zunehmend die Gegebenheiten wider. Viele Unternehmer wollen das noch nicht wahrhaben und sich nicht vom Arbeitnehmer unter Druck setzen lassen, schließlich bieten sie eine Anstellung und Einkommen. Wir müssen dabei aber berücksichtigen, dass es schon immer ein Tauschgeschäft war. Beide Parteien bieten etwas an, und als Gesetz des Marktes kann das knappere Gut den Preis bestimmen. Insbesondere jüngeren und besser ausgebildeten Arbeitskräften wird das zunehmend bewusst, und viele wollen zudem nicht mehr „nur“ durch mehr Geld entlohnt werden. Was sich zuerst nach einer schwierigen Situation für Unternehmen anhört, kann momentan noch als Stärke genutzt werden, denn die meisten Unternehmen sind sich über die Konsequenzen „noch“ nicht im Klaren. Je schwieriger es ist und wird, neue Mitarbeiter zu finden, umso wichtiger wird es, bestehende zu halten und zu entwickeln. Schließlich sitzt man mit diesen bereits am Tisch und kann wesentlich einfacher gemeinsam Ideen und Strategien entwickeln, wohin sie sich im eigenen Unternehmen entwickeln wollen.
DIE Wirtschaft: Meinen Sie, dass auch die Pandemie eine Auswirkung auf die Arbeitskultur, insbesondere Arbeitszeit und Anwesenheit hat?
Florian Hornig: Ja, das denke ich auf jeden Fall, denn die Pandemie hat den Status quo und die Routinen kräftig durcheinandergewirbelt. Ich finde, wir können aus den letzten Jahren vor allem zwei Dinge lernen. Erstens gibt es Menschen, die sind produktiver, wenn sie ihr Arbeitsumfeld selbst gestalten können, und es gibt Menschen, die brauchen ein starreres Korsett. Beide sollten in einem Unternehmen nebeneinander existieren können. Dies erfordert jedoch mehr individuelles Führen. Zweitens sollten wir hinterfragen, wie wir eigentlich Leistung messen und bezahlen. Mancher arbeitet langsamer und dafür konstanter. Ein anderer arbeitet schneller und effektiver, braucht aber immer wieder Abwechslung.
DIE Wirtschaft: Meinen Sie also, man sollte die Arbeitseinteilung in die Hände der Mitarbeiter legen oder sogar grundsätzlich auf eine reduzierte Arbeitszeit setzen, zum Beispiel die 4-Tage-Woche?
Florian Hornig: Ich bin zumindest der Meinung, dass man das offen diskutieren sollte. Unternehmen sind Zweckgemeinschaften, um einen Mehrwert zu erschaffen. Wichtig für ein Unternehmen ist also, ob am Ende mehr Geld eingenommen als ausgegeben wird. Der gleiche Ansatz gilt dann auch für Mitarbeiter. Der Mehrwert, den ein Mitarbeiter produziert, muss mindestens gleich den verbundenen Kosten sein. Das kann man auch mit der Belegschaft, dem Team und sogar einzelnen Mitarbeitern besprechen. Man muss dafür seine eigenen Zahlen kennen und bereit sein, diese transparent zu kommunizieren. Man kann so als Unternehmen auch flexibel auf sich verändernde Lebensumstände und auch Leistungsfähigkeiten von Mitarbeitern eingehen. Ich bin fest überzeugt, dass so eine partnerschaftliche und vor allem langfristige Beziehung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter entstehen kann.
DIE Wirtschaft: Welche Rolle spielen und werden digitale Technologien, vor allem die generative KI, dabei spielen?
Florian Hornig: Wir werden eine Revolution des Arbeitsmarktes erleben. Das erfordert neue Fähigkeiten, und auch hier ist es immens wichtig, diese Entwicklung frühzeitig zu erkennen und Mitarbeiter langfristig dorthin zu entwickeln, sowohl um die benötigten Fähigkeiten aufzubauen als auch um die Mitarbeiter langfristig zu motivieren und ihnen eine Perspektive aufzuzeigen. Wichtig ist dabei vor allem, wie gut die Geschäftsführung sich selbst und angestrebte Prozesse erklärt und Mitarbeiter dadurch abgeholt werden. Man könnte in diesem Zusammenhang auch neue oder flexiblere Arbeitszeitmodelle in Absprache mit den Mitarbeitern ermöglichen.
DIE Wirtschaft: Gibt es bereits einen Trend zu flexibleren Arbeitszeitmodellen?
Florian Hornig: Ich denke, den Trend gibt es bereits, dieser ist aber noch nicht etabliert, und viele Unternehmen weigern sich immer noch, dies anzuerkennen, weil sie ein geringeres zeitliches Engagement mit Desinteresse und fehlender Motivation gleichsetzen. Auch hier wird sich der Markt durchsetzen, und dieser wird in den kommenden Jahren bestimmt von den gut ausgebildeten Arbeitskräften, die zunehmend die Bedingungen diktieren können. Ich wiederhole mich hier gerne: Frühzeitig transparent auf die Mitarbeiter zugehen, offen Zahlen kommunizieren und präsentieren, ist kein Zeichen der Schwäche, sondern eine Investition in die Zukunft.
DIE Wirtschaft: Was ist Ihr Resümee zu diesem Thema?
Florian Hornig: Ich bin der Meinung, dass wir uns nicht über allgemeingültige Arbeitszeitmodelle oder Unternehmenslösungen unterhalten müssen, sondern darüber, wie wir miteinander umgehen möchten. Wie schaffen wir es, uns in der Gesellschaft und dann auch im Unternehmen menschlich auf Augenhöhe zu unterhalten und uns an Fakten zu orientieren, um dann individuelle Lösungen zu finden, die Win-win-Situationen erzeugen? Ich wünsche mir, dass wir uns nicht am Status quo orientieren, sondern an dem Ergebnis, das wir erreichen möchten. Der Weg dorthin kann und sollte neu gedacht werden. Nie hatten wir so viele Chancen, dieses im gemeinsamen Interesse und damit nachhaltig zu erreichen. In meiner Arbeit konzentriere ich mich darauf, Unternehmern und Führungskräften das kommunikative Handwerkszeug genau für diese Auseinandersetzungen und Diskussionen zu vermitteln.
(Eugen Weis)
Weite Informationen findet man unter https://simplicity-of-happiness.com
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe DIE WIRTSCHAFT 06.2023
Bildquellen
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