DIE WIRTSCHAFT: Sind Journalistinnen und Journalisten gute Kommunikationschefinnen und -chefs?
Dr. Jasmin Fischer (lacht): Auf jeden Fall! CEOs, die die Chance haben, Redakteurinnen oder Redakteure aus der Medienbranche in die Unternehmenskommunikation zu holen, sollten nicht zögern. Journalisten haben kein Problem mit Zeitdruck und Deadlines, formulieren klasse und sind es gewohnt, tagesaktuell Aufgaben und Verantwortungsbereiche zu jonglieren. Nicht von ungefähr richten viele Unternehmen, Kommunen und Organisationen eigene „Newsrooms“ ein – die Arbeit nach redaktionellem Vorbild ist einfach krisenerprobt und die klügste Organisationsform für gute Kommunikation. Zur Wahrheit gehört aber sicher auch, dass sich nicht jeder Journalist als Konzernkommunikator wohl fühlen würde. Wer schon in der Redaktion keine Lust hat, vom Termin ein Video mitzubringen, wer auf seine Autorenzeile nicht verzichten mag oder wer glaubt, der hohen Arbeitslast im Journalismus mit einem Seitenwechsel zu entkommen, der wird im Kommunikatorenberuf nicht glücklich. Der Seitenwechsel ist nicht für jede oder jeden etwas.
DIE WIRTSCHAFT: Warum sind Sie gewechselt?
Dr. Jasmin Fischer: Ich werde das immer noch oft gefragt – dabei ist der Wechsel ja nun schon einige Jahre her. Ich habe dem Journalismus 2017 den Rücken gekehrt, weil ich globale Verantwortung für die Pressearbeit unter dem Dach eines DAX-Konzerns übernehmen durfte – mit großer Gestaltungsfreiheit und „nur“ einer Vorgabe: Mach was Tolles draus! Für mich als ehemalige Auslandskorrespondentin war das perfekt, auch wenn dies der Abschied von einem Beruf und einer Branche bedeutet hat, die mich geprägt haben wie wenig sonst. Den ersten Fuß in eine Zeitungsredaktion habe ich gesetzt, da war ich 15.
DIE WIRTSCHAFT: Führen im Journalismus und Führen in anderen Wirtschaftsunternehmen – wo liegen da die Unterschiede?
Dr. Jasmin Fischer: Viele Unterschiede gibt es da gar nicht, außer dass Journalisten vielleicht ein bisschen schwieriger zu führen sind als Nicht-Journalisten, weil sie naturgemäß alles hinterfragen, inklusive Hierarchien, und ausgeprägte Individualisten mit eigenem Kopf sind. Dafür lassen sie sich aber auch selten von interner Büropolitik vereinnahmen. Den einen und alles entscheidenden Unterschied gibt es vermutlich für Frauen: Ich glaube, dass Journalistinnen außerhalb der Medienbranche viel schneller auf die Positionen kommen, die sie verdienen. In Köln haben wir zum Glück einige einflussreiche und wirklich tolle Chefinnen in Verlag und Redaktion, aber unsere Stadt ist da eine Ausnahme. Bundesweit dominieren Männer die Chefetagen von Regionalzeitungen in ganz krassem Ausmaß. Beim Thema Gleichberechtigung und Frauen in Führungspositionen sind die meisten Branchen viel weiter als die Medienindustrie.
DIE WIRTSCHAFT: Ihr Aufstiegsrezept für den Führungsnachwuchs?
Dr. Jasmin Fischer: Es gibt da keinen „Life Hack“ und keine Abkürzung. Wer für Führungspositionen entdeckt werden will, egal, ob Mann oder Frau, muss jahrelang konsistent gute Arbeit abliefern, verfügbar sein, wenn es brennt, aber auch, wenn sich große Chancen auftun, die andere womöglich verschrecken. Netzwerken ist wichtig, aber Loyalität finde ich noch wichtiger. Und auch, wenn Personal Branding als Muss gilt: Klüger ist es, finde ich, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen und lieber andere Menschen im Rampenlicht gut da stehen zu lassen.
DIE WIRTSCHAFT: Wie führen Sie persönlich?
Dr. Jasmin Fischer: Unaufgeregt, klar, ergebnisorientiert.
DIE WIRTSCHAFT: Home Office oder Präsenz?
Dr. Jasmin Fischer: Auf jeden Fall ein Mix. In der Unternehmenskommunikation der Koelnmesse haben wir zwei feste Teamtage pro Woche, an denen alle im Haus sind. In der Woche vor Town Halls oder Bilanz-Pressekonferenzen sind ebenfalls alle da: Miteinanderreden reduziert die Mailflut in solchen Phasen ganz entscheidend.
DIE WIRTSCHAFT: Sie sind nicht nur Grenzgängerin zwischen Branchen, sondern mit Mitte 40 auch Brücke zwischen den Gen Z und Altgedienten. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Dr. Jasmin Fischer: Ich möchte das eigentlich nicht so sehen. Schon mit dem Sammelbegriff Gen Z und dem Ruf dieser Generation kann ich wenig anfangen. Ich habe Millennials im Team, die so hart arbeiten, dass ich sie gelegentlich erinnern muss, Feierabend zu machen. Jede und jeder ist einzigartig.
DIE WIRTSCHAFT: Spielt es für Sie als Führungskraft eine Rolle, wer Ihre Führungskraft ist?
Dr. Jasmin Fischer: Sogar die Größte! Als COM-Chef/in sollte man vor Vertragsunterschrift fast schon forensisch recherchieren, wie die Geschäftsführung tickt. Für was wird man eigentlich wirklich gebraucht? Um Missstände geräuschlos abzuräumen – oder die Geschichten und Menschen, die das Unternehmen ausmachen, außerhalb der Konzernmauern erlebbar zu machen? Bei Gerald Böse und Oliver Frese war sofort klar, dass das passt, weil sie transparent und gradlinig arbeiten. Natürlich respektiere ich die Situationen, Zwänge und Vorgaben, in die manche meiner COM-Kollegen anderswo geraten, bin aber trotzdem überzeugt: Konzerne und Kommunikatoren, die lügen, schaden sich mehr als sie retten. Ich würde nicht als COM-Chefin antreten, um Journalisten zu täuschen.
DIE WIRTSCHAFT: Wie transparent kann ein Kommunikator denn überhaupt sein?
Dr. Jasmin Fischer: Ich bin sogar mal gefragt worden: „Musst du als COM-Chefin nicht ganz viel lügen?“ Die Unternehmenskommunikation ist leider die am meisten missverstandene Managementfunktion in Konzernen. Extern wird sie als Spin Doctor gesehen, intern als eine Art Nobel-Assistenz, die Texte hübsch macht. Dabei hat UK eine absolut strategische, steuernde Funktion: Wenn der Look und Sound eines Konzerns außen so ankommen sollen, wie es seine Kultur und Persönlichkeit sind, dann braucht es redaktionelle Planung, Projektmanagement und eine Ausrichtung an der Konzernstrategie, so wie bei allen anderen Managementfunktionen. Dazu gehört auch, dass die Kommunikatoren gehört werden, wenn zum Beispiel ein neues Geschäftsfeld lukrativ wäre, der Reputation des Hauses aber schaden könnte. Wo die Unternehmenskommunikation ein starkes Standing hat und CEOs, die zuhören, kann sich kaum eine Lage entwickeln, deretwegen später Dinge unter den Teppich gekehrt werden müssen.
DIE WIRTSCHAFT: Welche weibliche Führungskraft ist Ihr Role Model oder Vorbild?
Dr. Jasmin Fischer: Ich muss Sie leider enttäuschen! Was Strategie, Führung, geschicktes Vorgehen in schwierigen Situationen angeht, habe ich von wirklich jedem einzelnen älteren, männlichen Chefs unfassbar viel gelernt. Frauen waren für aufstiegswillige Frauen leider lange das größte Berufsrisiko. Zum Glück ändert sich das allmählich – und es sind vor allem jüngere Kolleginnen, die an das Thema Führung komplett neu rangehen und mich zum Nachdenken bringen.
DIE WIRTSCHAFT: Welche Verbesserungen in der Gleichberechtigung können Sie erkennen?
Dr. Jasmin Fischer: Ich freue mich natürlich, dass inzwischen gezielt nach Frauen für Top-Jobs gesucht wird und sie häufig auch das Rennen machen. Gleichzeitig höre ich von weiblichen Führungskräften quer durch viele Branchen häufig, zu häufig, dass sie beim Gehalt geprellt werden, dass ihre männlichen Vorgänger oder Nachfolger höher entlohnt werden oder Männer auf der gleichen Ebene seit Jahren mehr verdienen. Dass sie erst ein der Rolle entsprechendes Gehalt bekommen haben, als der Headhunter die Konditionen verhandelt hat. Solange es vielerorts auf Führungsebene noch einen solchen substanziellen Gender Pay Gap gibt, hoffe ich, dass Sie mir meine Ungeduld und meine Skepsis in dieser Frage nachsehen.
DIE WIRTSCHAFT: Was haben Sie bei der Koelnmesse noch vor?
Dr. Jasmin Fischer: Ich hoffe, man erkennt bereits, dass wir auf Social Media, beim Thema Nachhaltigkeit oder auch unserem USP als Arbeitgeberin richtig viel Gas geben. Wir sind ein Super-Team, das alle Kompetenzen inhouse mitbringt. Da wollen wir natürlich die beste Kommunikation aller Großmessen in Deutschland hinbekommen. Mit dem 100. Jubiläum nächstes Jahr haben wir einen tollen Anlass, all die Geschichten zu transportieren, die uns als Koelnmesse zu dem gemacht haben, was wir heute sind. Bei der Sichtung des historischen Messe-Materials war so viel Anrührendes, aber auch Lustiges dabei, dass wir kaum warten können, zu starten!
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe DIE WIRTSCHAFT 05.2023
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