Recht

Das kleine Einmaleins der AGB

Nahezu jedes Unternehmen, das am Markt aktiv ist, dürfte über eigene allgemeine Geschäftsbedingungen verfügen – in aller Regel mindestens in zwei „Spielarten“: zum einen über allgemeine Einkaufsbedingungen, die beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen zum Einsatz kommen, und zum anderen über allgemeine Verkaufs-/Lieferbedingungen, die beim Vertrieb der eigenen Leistung die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Rechtsverhältnis mit dem Kunden setzen sollen.

Ungeachtet der weiten Verbreitung von AGB sind in der Praxis auch unter Kaufleuten sehr häufig Fehlvorstellungen über die Bedeutung, Reichweite und wirksame Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen festzustellen – insbesondere im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr. Eine neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) führt hier nun zu einer weiteren, gewissen Erleichterung im Hinblick auf die wirksame Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Entscheidung läuft dabei der Tendenz deutscher Gerichte entgegen, auch im B2B-Bereich für die wirksame Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen sehr hohe Anforderungen zu stellen. Hierauf soll zunächst kurz eingegangen werden. Im Anschluss erfolgen einige allgemeine, praxisrelevante Erläuterungen zu allgemeinen Geschäftsbedingungen und diesbezüglich weit verbreiteten Fehlvorstellungen. Sämtliche Ausführungen beziehen sich dabei auf den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern – bei der Verwendung gegenüber Verbrauchern gelten insbesondere bei der Einbeziehung von AGB andere „Spielregeln“.

Wirksame Einbeziehung von AGB im B2B-Bereich

Wenn beide Vertragspartner ihren Sitz im Inland haben, müssen die AGB bei Vertragsschluss grundsätzlich nicht schriftlich übergeben werden. Die in der Praxis übliche Vorgehensweise, bei der Bestellung oder Auftragsbestätigung standardmäßig einen Textbaustein aufzunehmen, der auf die Geltung der eigenen AGB verweist, ist hier für eine wirksame Inbezugnahme zunächst ausreichend. Zudem muss dem Vertriebspartner die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme geschaffen werden – diese Voraussetzung wird z. B. dadurch erfüllt, dass die AGB auf der eigenen Website des Unternehmens eingestellt werden.

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gelten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) aber strengere Anforderungen. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Sprache, in der die AGB vorliegen müssen. Wenn die Parteien keine einheitliche Landessprache teilen, müssen der Hinweis auf die AGB und der AGB-Text grundsätzlich entweder in der Muttersprache des anderen Vertragspartners oder in der Verhandlungssprache abgefasst sein. Nach überwiegender Auffassung reicht zudem die Abfassung in einer Weltsprache. In der Praxis üblich ist, dass der Hinweis auf die AGB (auch) in englischer Sprache abgefasst wird und neben einer deutschen Fassung der AGB zudem zumindest eine englische Version verfügbar ist.

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gilt UN-Kaufrecht

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellt sich zudem die Frage, ob die AGB hier dem Vertragspartner nicht tatsächlich übergeben werden müssen – dies wird in der Praxis sehr häufig unterlassen und man verfährt einfach genauso, wie dies bei einem Geschäft ohne Auslandsbezug üblich ist. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten findet indes häufig das CISG Anwendung. Hierfür hat der BGH entschieden, dass der Verwender der AGB dem Vertragspartner den Text der AGB entweder tatsächlich – und nachweislich – übersenden oder anderweitig zugänglich machen muss. Die Anforderungen sind hier also höher als bei reinen Binnensachverhalten – die bloße Einräumung der Möglichkeit, dass sich der Vertragspartner selbst Kenntnis verschaffen kann, ist nicht ausreichend. Hier genügt es also z. B. nicht, dass der Vertragspartner durch proaktives Suchen auf der Website der anderen Vertragspartei dort deren AGB finden kann (Beibringungsobliegenheit des Verwenders statt Beschaffungsobliegenheit der anderen Seite).

Kommt der Vertragsschluss ausschließlich online/digital zustande, reicht es dabei aber schon nach einer früheren Entscheidung des EuGH aus, wenn der Vertragspartner die Geltung der AGB durch Anklicken eines Bestätigungsfeldes akzeptiert und die AGB über einen Hyperlink verfügbar sind. Nunmehr hat der EuGH diese Rechtsprechung auch auf „offline“/schriftlich abgeschlossene Verträge ausgedehnt: Auch hier soll eine im Vertragsdokument enthaltene Angabe des Hyperlinks zu den AGB auf der Website des Verwenders für eine wirksame Inbezugnahme genügen – jedenfalls unter der Voraussetzung, dass die AGB dort auch heruntergeladen werden können (EuGH, Urteil vom 24. November 2022 – C – 358/21 (Tilmann SA ./. Unilever Supply Chain Company AG, NJW 2023, 33).

AGB bestimmen nicht den Vertragsinhalt

Fehlvorstellung: „Meine AGB gelten, wenn ich auf sie in meinen Bestellungen/Auftragsbestätigungen verwiesen habe.“

Nur weil auf die eigenen allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Bestellungen oder Auftragsbestätigungen verwiesen wird und man sie dem Vertragspartner in Einklang mit den obigen Grundsätzen zur Verfügung gestellt hat, bedeutet dies auch schon bei reinen Binnensachverhalten (also Geschäften, bei denen beide Vertragspartner ihren Sitz im Inland haben) nicht, dass der Inhalt der genannten Bedingungen tatsächlich auch den Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages bestimmt. In aller Regel werden schließlich beide Vertragspartner (mittels entsprechender standardmäßig verwendeter Textbausteine) in ihren Geschäftspapieren auf ihre AGB verweisen – der Käufer auf seine Einkaufsbedingungen bei seiner Bestellung, der Verkäufer auf seine Verkaufs /Lieferbedingungen bei seinen Auftragsbestätigungen. Zudem enthalten allgemeine Geschäftsbedingungen regelmäßig Abwehrklauseln, d. h., die eigenen AGB sehen vor, dass AGB der anderen Seite nicht akzeptiert werden.

Was gilt dann nun in einem solchen Fall sich widersprechender AGB?

Im Rahmen von Binnensachverhalten kommt dann, soweit sich die zur Beurteilung der Rechtslage geltenden Klauseln widersprechen, grundsätzlich die gesetzliche Regelung zur Anwendung. Mit anderen Worten: Es wird hier also so getan, als gebe es die Klauseln in den Ein- und Verkaufsbedingungen nicht. Für den Verkäufer hat dies beispielsweise die missliche Konsequenz, dass der Vertrag dann keinerlei Haftungsbegrenzung für Pflichtverletzungen vorsehen wird.

Was bringt dann überhaupt der Verweis auf die eigenen allgemeinen Geschäftsbedingungen? Kann man sich das nicht gleich sparen?

Nein. Eine wesentliche Funktion von allgemeinen Geschäftsbedingungen ist im B2B-Bereich, die Bedingungen des anderen Vertragspartners nicht zur Anwendung kommen zu lassen. Naturgemäß sind die allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig einseitig an den Interessen des Verwenders ausgerichtet. Nimmt nur eine Seite wirksam ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Bezug und werden diese damit zur Grundlage der Vertragsbeziehung, ist das für den Vertragspartner regelmäßig mit erheblichen Nachteilen verbunden.

Gilt dasselbe für sich widersprechende AGB auch in grenzüberschreitenden Sachverhalten, also in Fällen, in denen ein Vertragspartner im Ausland ansässig ist?

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist das Ergebnis nicht so eindeutig. Wie bereits erläutert, richtet sich der Umgang mit sich widersprechenden AGB hier nicht selten nach dem UN-Kaufrecht (CISG). In dessen Anwendungsbereich wird mitunter die sogenannte Theorie des letzten Wortes (oder auch „last shot rule“) vertreten. Danach sollen sich die AGB desjenigen durchsetzen, der zuletzt unwidersprochen auf seine eigenen Bedingungen verwiesen hat. Hier lässt sich berechtigterweise die Frage stellen, wo denn die für einen Vertragsschluss erforderliche Zustimmung des Vertragspartners zu einem Vertrag auf Grundlage der AGB der Gegenseite liegen soll. Hierfür wird dann auf die Durchführung des Vertrags als (vermeintlichen) Zustimmungsakt abgestellt. Diese Lösung wird jedoch zu Recht kritisiert, da sie zu zufälligen und kaum vorhersehbaren Ergebnissen führt. Überdies wird in der Praxis kaum eine Partei, nachdem sie auf ihre eigenen AGB verwiesen hat und diese die Anerkennung der AGB der Gegenseite ausdrücklich ausschließen, davon ausgehen, mit der Vertragsdurchführung trotzdem stillschweigend die AGB des Vertragspartners akzeptiert zu haben. Der Bundesgerichtshof ist der „Theorie des letzten Wortes“ nicht gefolgt, sondern will auch hier an die Stelle der sich widersprechenden Geschäftsbedingungen die gesetzliche Regelung setzen („knock out rule“). Hier ist dann wiederum zu beachten, dass das UN-Kaufrecht nur für bestimmte Teilbereiche eigenständige Regelungen enthält. Im Übrigen ist auf die Vorgaben des nach den kollisionsrechtlichen Vorschriften anwendbaren nationalen Rechts abzustellen. Ein deutsches Unternehmen muss insofern sowohl damit rechnen, dass hier ein anderes nationales als das deutsche Recht zur Anwendung kommt, als auch damit, dass eine Streitentscheidung auch vor einem ausländischen Gericht erfolgen kann.

Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen strenger Inhaltskontrolle

Fehlvorstellung: Wenn ich meine eigenen Verkaufsbedingungen bei Vertragsschluss „durchdrücken“ kann, bin ich als Verkäufer gegen Haftungsrisiken bestens abgesichert.

Leider ist auch diese Vorstellung oft nicht richtig. Dies liegt daran, dass allgemeine Geschäftsbedingungen nach deutschem Recht – auch für den B2B-Bereich – einer sehr strengen Inhaltskontrolle unterliegen, was auch häufig als Nachteil des deutschen Rechts im internationalen Vergleich gesehen wird. Diese führt u. a. dazu, dass Regelungen zur Haftungsbegrenzung in allgemeinen Geschäftsbedingungen nur in sehr beschränktem Umfang zulässig sind: Selbst für den Bereich leichter/einfacher Fahrlässigkeit ist in AGB-Regelungen kein genereller Haftungsausschluss möglich. Und um die Sache noch problematischer zu machen: Eine zu weitgehende Haftungsbeschränkung in AGB wird nicht etwa auf ihr zulässiges Maß zurückgeführt. Vielmehr ist die Regelung dann insgesamt unwirksam (sogenanntes Verbot der geltungserhaltenden Reduktion).

Nur eine „lege artis“ gestaltete Haftungsbegrenzungsregelung in AGB kann also das Haftungsrisiko des Verwenders reduzieren. Wegen der engen Vorgaben der Rechtsprechung hierzu bleiben aber auch da aus der Perspektive eines Verkäufers noch große Lücken offen. Dies wird für eine Absicherung des Verkäufers insbesondere dann häufig nicht ausreichen, wenn bei einer nicht ordnungsgemäßen oder verspäteten Leistung erhebliche Schäden in Form von entgangenem Gewinn/wegen Produktionsausfalls entstehen können. Zu einer vernünftigen Absicherung ist hier der Abschluss einer individuellen Haftungsbegrenzungsvereinbarung mit dem Vertragspartner erforderlich. Überdies ist meist eine klare und mit entsprechenden Einschränkungen versehene Leistungsbeschreibung ein effektives und wichtiges Mittel zur Begrenzung von Haftungsrisiken: Wenn das eingehalten wird, was „versprochen“ und mit dem Kunden explizit vereinbart wurde, fehlt es bereits an einer Pflichtverletzung, die ein Anknüpfungspunkt für Schadensersatzansprüche sein könnte.

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Guido Dornieden, Rechtsanwalt und Counsel bei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Gastautor: Guido Dornieden,

Rechtsanwalt und Counsel bei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

 

 

 

 

 

 

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe DIE WIRTSCHAFT 08.2023 

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