Recht

Cannabis im Betrieb unerwünscht

Begleitet von großem medialem Aufsehen verabschiedete der Gesetzgeber am 1. April 2024 nach 95-jähriger Prohibition das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis zu nicht medizinischen Zwecken. Dies wirft eine Vielzahl von arbeitsrechtlichen Konsequenzen auf, die Arbeitgeber nunmehr zu beachten haben. Auf mögliche Fallstricke soll im Folgenden eingegangen werden.

Betriebsvereinbarungen zur Regelung von Cannabiskonsum

Ähnlich wie bei einem Alkoholverbot ist der Konsum von Cannabis im Betrieb unerwünscht und soll (wohl in den meisten Fällen ausnahmslos) untersagt werden. Die Betriebsparteien müssen hierbei entscheiden, ob und in welchem Umfang sie den Konsum von Cannabisprodukten verbieten können und ob der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht für ein Cannabisverbot hat. Wir gehen davon aus, dass wohl mit guten Argumenten die Rechtsprechung zum Alkoholverbot auf ein Cannabisverbot übertragbar ist.

Danach unterliegt eine Null-Toleranz-Grenze für Cannabis am Arbeitsplatz dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, da ein solches Verbot das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten im Betrieb betrifft, zugleich eine Regelung zur Verhütung von Arbeitsunfällen darstellt und dem Gesundheitsschutz dient. Eine solche Null-Toleranz-Grenze kann mithilfe einer Einigungsstelle durchsetzbar sein.

Die Betriebsparteien können regeln, dass Arbeitnehmer nicht unter Einfluss von Cannabis zur Arbeit erscheinen dürfen und dass kein Cannabis auf dem Betriebsgelände konsumiert wird. Für die private Nutzung von Dienstwagen sollte ebenfalls eine Null-Toleranz-Regelung getroffen werden.

Dr. Eva Rütz, LL.M., Rechtsanwältin, Partnerin

Wenn in Ihrem Hause bereits eine Betriebsvereinbarung besteht, die beispielsweise den (illegalen) Drogenkonsum untersagt, sollten Sie als Arbeitgeber prüfen, ob diese auch Cannabis nach der Teillegalisierung noch umfasst. Hier sollte das Augenmerk darauf gelegt werden, dass nicht nur Alkohol und „illegale Drogen“ in der Betriebsvereinbarung genannt werden, da dies sonst in einem Kündigungsrechtsstreit zu Problemen führen könnte.

Für eine (Neu-)Regelung ist zu empfehlen, dass Arbeitgeber initiativ auf den Betriebsrat zugehen und eine entsprechende Regelung fordern und auch gleich vorschlagen. So können Arbeitgeber sämtlichen Anforderungen hinsichtlich des betrieblichen Unfallschutzes und ihrer Fürsorgepflicht nachkommen.

Cannabiskonsum und Arbeitsschutz

Das Cannabisgesetz enthält lediglich zwei Vorschriften bezüglich des Arbeitsschutzes, während seitens der Unfallversicherungsträger erlassene Regelungen (DGUV Vorschrift 1 und DGUV Regel 100-001) die wesentlichen arbeitsschutzrechtlichen Regelungen enthalten.

Art. 9 CanG regelt, dass Personen, die nach dem KCanG (Konsumcannabisgesetz) oder dem MedCanG (Medizinalcannabisgesetz) verurteilt wurden, Jugendliche nicht ausbilden dürfen. Art. 10 CanG regelt außerdem, dass der Nichtraucherschutz in Arbeitsstätten nicht nur in Bezug auf Tabak, sondern auch in Bezug auf Cannabisprodukte (und ebenfalls bezüglich der neuen E-Zigaretten) gilt.

Arbeitgeber müssen demnach darauf achten, dass Arbeitnehmer keine Tätigkeiten ausführen, für die sie aufgrund von Cannabiskonsum nicht befähigt sind, und sich auch nicht durch Drogenkonsum in einen gefährdenden Zustand versetzen.

Der Arbeitgeber kann insoweit ein Beschäftigungsverbot aussprechen, wenn konkrete Anhaltspunkte (z. B. Ausfallerscheinungen) vorliegen, dass ein Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, die ihm zugewiesenen Tätigkeiten ohne Gefahr für sich und andere auszuführen. Hierbei hilft dem Arbeitgeber die Vermutung, dass der Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln in der Regel eine Gefährdung darstellt.

„Kiffen“ während der Raucherpause: Abmahnung oder Kündigung?

Der Arbeitnehmer darf sich in keinen Zustand versetzen, in dem es ihm nicht möglich ist, seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß zu erbringen. Ein Konsum (sogar auch im privaten Bereich) kann arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, soweit die aus dem Konsum folgenden Ausfallerscheinungen während der Arbeitszeit eintreten oder noch andauern. Wenn der Arbeitnehmer wegen des Konsums unentschuldigt fehlt und/oder nicht in der Lage ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen beziehungsweise dies nicht ohne Gefährdung anderer Personen oder Rechtsgüter tun kann, so kann der Lohn einbehalten werden. Es kann zudem eine Abmahnung (ggf. sogar in Gefährdungsfällen eine (außerordentliche) Kündigung) ausgesprochen werden.

Barbara Enderle, LL.M., Rechtsanwältin, Associate

Eine sofortige fristlose Kündigung kann allerdings nur dann in Betracht kommen, wenn dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf die Schwere des Vertragsverstoßes ausnahmsweise nicht mehr zumutbar ist. Grundsätzlich besteht bei Nichtbeweisbarkeit des Konsums/der Ausfallerscheinungen auch die Möglichkeit der Verdachtskündigung. Diese ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn bereits der Verdacht des Verstoßes die Zusammenarbeit mit dem betroffenen Mitarbeiter unzumutbar erscheinen lässt. Hieran stellt die Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen.

Besonders ist zu beachten, dass bei einem drogenabhängigen Mitarbeiter „lediglich“ eine Kündigung nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung in Betracht kommt. Hierbei ist an die ordnungsgemäße Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements zu denken. Eine Abmahnung hilft nicht, weil der drogenkranke Mitarbeiter gerade krankheitsbedingt seinen Konsum nicht steuern kann.

Mit einem expliziten, deutlichen und umfassend geregelten Verbot (z. B. auch für den Konsum auf Firmenveranstaltungen) von Cannabis kann ein Verstoß in der Praxis leichter nachgewiesen werden als der Verstoß gegen ein relatives Verbot, das nur beinhaltet, dass ein Arbeitnehmer sich nicht in einen Zustand versetzen darf, in dem er seine Arbeitsleistung nicht mehr ordnungsgemäß erbringen kann. Daher ist ein solches grundsätzlich zu empfehlen.

Privater Cannabiskonsum und Drogentests am Arbeitsplatz

Der Arbeitgeber hat grundsätzlich keinen Einfluss auf den privaten Konsum von Cannabiskonsumenten und kann auch praktisch nicht immer feststellen, ob ein Arbeitnehmer noch in einem Drogenrauschzustand ist.

Im Gegensatz zu Alkohol gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Dosierung von THC und den daraus resultierenden Ausfallerscheinungen. Die einzige Möglichkeit für Arbeitgeber besteht darin, ihre Mitarbeiter für den möglichen Entfall des Unfallversicherungsschutzes infolge des Cannabiskonsums im privaten Bereich zu sensibilisieren und auf Ausfallerscheinungen zu achten, wie es bei Alkohol oder legalen Medikamenten der Fall ist.

Ein Drogentest ist nur in Ausnahmefällen möglich und sollte nicht automatisch durchgeführt werden, da das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zumeist entgegensteht. Verdachtsunabhängige Kontrollen sind in der Regel also nicht zulässig, wenn sie nicht zuvor mit dem Arbeitnehmer oder dem Betriebsrat vereinbart wurden. Auch bei begründetem Verdacht kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zwar zur Kontrolle auffordern, er kann ihn jedoch nicht zu einer Teilnahme zwingen, insbesondere nicht zu einer Blutentnahme.

Incentivierung des Unterlassens von Cannabiskonsum

Als Möglichkeit des Arbeitgebers, den Konsum der Arbeitnehmer zu unterbinden, ohne hierbei in die Privatsphäre des Arbeitnehmers einzugreifen, kommt die Zahlung einer Prämie in Betracht. Diese könnte dann ausbezahlt werden, wenn Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraums nachweisen können, dass sie kein Cannabis konsumiert haben. Hier ist zu bedenken, dass dies aber möglicherweise diskriminierend für Arbeitnehmer sein kann, die auf medizinischen Cannabis angewiesen sind. Hier ist also auf eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung zu achten.

Reichweite der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verlangt, dass der Arbeitgeber die Sicherheit und das Wohlbefinden des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz sicherstellt. Bei Cannabiskonsum durch Arbeitnehmer gilt insbesondere, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, geeignete Maßnahmen zum Schutz des betroffenen Arbeitnehmers und anderer Arbeitnehmer zu ergreifen, wenn er erkennt, dass das Verhalten unter dem Einfluss von Cannabis eine Gefahr darstellt. Gegebenenfalls muss er auch den sicheren Weg nach Hause nach der Betriebsfeier sicherstellen. Wenn Minderjährige involviert sind, ist besondere Vorsicht geboten, da das Cannabisgesetz den Konsum von Cannabis in der Anwesenheit von Minderjährigen verbietet.

Die Teillegalisierung bringt viele alte Probleme in neuem Gewand mit sich. In vielen Fällen können aber die bisherigen Problemlösungsansätze in Bezug auf den Umgang mit Alkohol auch auf den Umgang mit Cannabis angewandt werden. Inwieweit dieses Thema Arbeitgeber zukünftig noch beschäftigen wird, bleibt abzuwarten.

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Gastautoren: Dr. Eva Rütz, LL.M., Rechtsanwältin, Partnerin, Barbara Enderle, LL.M., Rechtsanwältin, Associate, beide Employment, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Bildquellen

  • Eva Ruetz: Jörg Modrow/laif
  • Barbara Enderle: PicturePeople GmbH
  • shelby-ireland-GHVBpTkSqfs-unsplash: Foto von Shelby Ireland auf Unsplash
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