DIE WIRTSCHAFT sprach mit Reiner Huthmacher. Der Entwickler des Konzepts „Das kleine 1 x 1 der Mitarbeiterbindung und Mitarbeitergewinnung“ ist seit 30 Jahren in der Einzelberatung von Unternehmen, aber auch als Kooperationspartner größerer Institutionen, wie zum Beispiel der Kreishandwerkerschaft Köln, engagiert. Als Senator im Senat der Wirtschaft Deutschlands engagiert er sich in der Kommission „Zukunft Personal & Arbeitswelt“, und als Gründer des Projekts „Fachkräftemagnet“ ist er ein gefragter Vortragsredner. Er weiß, wie Unternehmen trotz Fachkräftemangel erfolgreich Personal mobilisieren.
DIE WIRTSCHAFT: Herr Huthmacher, Ende letzten Jahres zeigte eine Datenauswertung, dass zwei Millionen Stellen in deutschen Unternehmen nicht besetzt werden konnten. Welche Branchen sind heute vom Fachkräftemangel betroffen?
Reiner Huthmacher: Anders als früher klagen heute nicht nur einzelne Branchen über einen Mangel an Fachkräften. Es gibt kaum Bereiche, die nicht betroffen sind. Grund hierfür sind der demografische Wandel und ein fehlendes Angebot an jungen Menschen mit den richtigen Qualifikationen. Hinzu kommen veränderte Ansprüche von Arbeitnehmern. Sie wollen in einem Unternehmen arbeiten, das ihnen einen attraktiven Arbeitsplatz bietet, und eine Tätigkeit, die dem Leben einen Sinn gibt.
DIE WIRTSCHAFT: Und das sind Dinge, die viele Unternehmen nicht anbieten?
Reiner Huthmacher: Viele Betriebe bieten es durchaus. Der entscheidende Punkt ist, dass sie nicht aktiv damit werben. Sie gehen davon aus, dass sie nur ein Jobangebot inserieren müssten und sich qualifiziertes Personal automatisch bewirbt. Besonderheiten der Unternehmenskultur werden dabei ebenso wenig beleuchtet wie spezielle Vorteile dieses Unternehmens im Vergleich zu seinen Marktbegleitern.
DIE WIRTSCHAFT: Aber wie reagieren Unternehmen, wenn sich kaum Bewerber finden?
Reiner Huthmacher: Misserfolg bei der Mitarbeitergewinnung wird oft auf den Fachkräftemangel geschoben. Anstatt die eigenen Strategien zu überdenken, warten Unternehmer auf Lösungen aus der Politik. Dass Fachkräftemangel besteht, ist Tatsache. Das bedeutet nach meiner Erfahrung jedoch nicht, dass man nicht doch erfolgreich Personal werben kann. Erfolgreiche Unternehmen beweisen, dass die Rekrutierung gelingt – wenn Unternehmen ihre Strategien überdenken und proaktiv handeln.
DIE WIRTSCHAFT: Und auf welchen Paradigmenwechsel setzt eine zeitgemäße Mitarbeiterwerbung?
Reiner Huthmacher: Arbeitgeberattraktivität ist der Schlüssel zum Erfolg. Das ist es, was Unternehmer sich klarmachen müssen. Und dahinter steht weit mehr als nur ein gutes Gehalt. Betriebe sind gut beraten, wenn sie eine Arbeitskultur präsentieren, die Flexibilität und Sicherheit bietet.
DIE WIRTSCHAFT: Wie schaffen Unternehmen das?
Reiner Huthmacher: Es lohnt sich, an der Arbeitgeberattraktivität zu arbeiten. Aus gutem Grund präsentieren erfolgreiche Unternehmen heute in Social-Media-Postings und Werbeanzeigen stolz ein Stück ihrer Unternehmenskultur. Es geht ja unter dem Strich für Bewerber darum, eine „berufliche Heimat“ zu finden, und die finde ich bei attraktiven Arbeitgebern, die als solche sichtbar sind, viel eher. Diese Art von Vorfeldarbeit ist aber nur die halbe Miete bei der Mitarbeiteranwerbung.
DIE WIRTSCHAFT: Und was ist die zweite wichtige Sache?
Reiner Huthmacher: Konkrete Vorteile für eigene Mitarbeiter sorgen für eine langfristige Zufriedenheit und steigern die Attraktivität eines Arbeitgebers enorm. Eine Standardempfehlung für solche Vorteile ist schwer zu geben, auch wenn die Vielzahl der Berater am Markt genau das propagiert. Aufgrund unserer zahlreichen erfolgreichen Umsetzungsfälle kann ich nachweisen, dass Lösungen, die individuell aufgrund meiner Tiefenanalyse von Betrieb und Belegschaft gefunden wurden, immer die waren, die sich für meine Mandanten als Gamechanger in Sachen „Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterbindung“ erwiesen haben.
DIE WIRTSCHAFT: Was sind Beispiele für solche Benefits, mit denen Unternehmen erfolgreich qualifizierte Mitarbeiter werben?
Reiner Huthmacher: Sie können sich zum einen auf eine positive Arbeitskultur beziehen. Die junge Generation schätzt flexibles Arbeiten, Homeoffice, Arbeiten über die Cloud und ähnliche Dinge. Erfolgreiche Unternehmen werben mit Angeboten für mehr Gesundheit am Arbeitsplatz und einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Die Umsetzung kann unterschiedlich gestaltet werden. Von Sportangeboten, Rückentraining und Wellness auf Firmenkosten bis hin zu Yoga oder Meditation. Was bei Mitarbeitern ankommt, hängt von ihren konkreten Wünschen ab. Und diese sollten in der Analysephase zunächst auch einbezogen werden, selbst dann, wenn nicht jeder Wunsch in jeder Branche umsetzbar ist.
DIE WIRTSCHAFT: Also geht es darum, für mehr Gesundheit am Arbeitsplatz zu sorgen?
Reiner Huthmacher: Nicht nur das. Neben der Work-Life-Balance geht es auch um die eigenen Zukunftsperspektiven. Wer seinen Mitarbeitern gute Arbeit und interessante Perspektiven anbietet, wird feststellen, dass sich schnell Personal findet und sogar Fachkräfte von Konkurrenten abgeworben werden können. An der Stelle geht es nicht allein um kleine Aufmerksamkeiten wie kostenlosen Kaffee, gefüllte Obstschalen und dergleichen. Effektive Mittel sind Angebote, die mit individueller Sicherheit, persönlicher Lebensqualität oder geldwerten Vorteilen verbunden sind. Auch unternehmenseigene Versicherungsleistungen können Bewerberzahlen steigern.
DIE WIRTSCHAFT: Welche Versicherungsangebote nutzen Unternehmen, um ihre Arbeitgeberattraktivität zu steigern, und weshalb wirken diese so anziehend?
Reiner Huthmacher: Betriebseigene Krankenversicherungsangebote oder eine betriebliche Altersvorsorge sind häufig Schlüsselelemente bei der proaktiven Mitarbeitergewinnung und bindung. Krankenversicherungsangebote sorgen dafür, dass Kosten für Brillen oder teure Zahnbehandlungen übernommen werden. Sie setzen also da an, wo die Leistungen der GKV aufhören, und sorgen für eine Nettoentlastung. Zusätzlich zahlen sie auf die Gesunderhaltung und damit auf geringere Fehlzeiten ein.
DIE WIRTSCHAFT: Sie begleiten seit Jahrzehnten Unternehmen unter anderem auch bei der Personalarbeit. Über Ihr Projekt Fachkräftemagnet haben Sie ein Spezialkonzept zur erfolgreichen Mitarbeiterbindung und -gewinnung entwickelt. Wie gehen Sie vor, wenn Sie ein Unternehmen beraten?
Reiner Huthmacher: Zeitgemäße Personalanwerbung über Social Media und unbürokratische Bewerbungsverfahren sind wichtig. Erfolgreiche Unternehmen gehen hier neue Wege, die wir aufzeigen. Außerdem müssen Betriebe ihre Arbeitgeberattraktivität auf den Prüfstand stellen. Dazu machen wir zunächst eine Bestandsaufnahme. Ich habe ein professionelles Verfahren entwickelt, mit dem der Istzustand und die unternehmerische Zukunftsvision analysiert werden. Auf Basis dieser Analyse werden anschließend passgenaue Maßnahmen für mehr Mitarbeiterzufriedenheit und einen nachhaltigen Erfolg bei der Personalanwerbung entwickelt. Viele Unternehmen konnten über diesen Prozess bereits qualifizierte Fachkräfte anwerben und sich trotz Fachkräftemangel personell neu aufstellen.
DIE WIRTSCHAFT: Worauf achten Sie beim Analyseprozess?
Reiner Huthmacher: Mein Konzept basiert auf drei Säulen: der Attraktivitätsanalyse, einer Mitarbeiter- und Wertschätzungsanalyse und der Entwicklung einer passenden und zeitgemäßen Kommunikationsstrategie. Im ersten Schritt wird erhoben, welche konkreten Vorteile bereits vorhanden sind. Die Attraktivitätsanalyse schärft das Bewusstsein für alle Dinge, die das Unternehmen bereits leistet. Oft werden im Austausch bestehende Vorteile bewusst, die das Unternehmen noch gar nicht bewirbt. Im nächsten Schritt wird geprüft, was sich die Mitarbeiter wünschen und welche Angebote sie wertschätzen würden. Den dritten Schritt bildet die Arbeit an einer geeigneten Kommunikationsstrategie. Sie soll Belegschaft und Bewerber zugleich ansprechen.
DIE WIRTSCHAFT: Das hört sich nach einer Analyse an, die vor allem auf einem aktiven und bewusst gesuchten Austauschprozess basiert.
Reiner Huthmacher: Genauso ist es. Beim individuellen Austausch kommen immer neue Ideen auf. Mir macht es Spaß zu sehen, wie eine Vision konkrete Konturen annimmt. Wenn die Arbeit an Arbeitgeberattraktivität und Mitarbeitergewinnung in einen ganzheitlichen Transformationsprozess mündet, ist der Erfolg perfekt. Meine Methode gibt nicht nur Impulse für einen solchen Prozess, sondern findet, bindet und erzeugt bislang in 99 Prozent aller Umsetzungsfälle Applaus durch die Belegschaft.
(Monika Eiden)
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe DIE WIRTSCHAFT 03 / 2024
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