Die Bundesregierung und ihre Partner haben die Fortführung und Weiterentwicklung der Nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS) vorgestellt. Die NWS hat das Ziel, die Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland zu erhöhen und Beschäftigte wie Unternehmen mit Blick auf die Transformation der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes und der Gesellschaft noch stärker für die Themen Weiterbildung und Qualifizierung zu gewinnen.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben unter enger Einbindung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, der Bundesländer, der Wirtschaftsverbände und Sozialpartner sowie der Bundesagentur für Arbeit eine aktuelle Nationale Weiterbildungsstrategie erarbeitet. „Wir müssen zeitgleich die aktuelle Krise bewältigen und den Wandel der Arbeitswelt voranbringen. Dafür brauchen wir Weiterbildung und Qualifizierung. Deutschland muss zur Weiterbildungsrepublik werden. Deshalb setzen wir die Nationale Weiterbildungsstrategie mit neuem Schwung fort. Ich werde noch in diesem Jahr einen weitreichenden Gesetzentwurf für einen echten Weiterbildungsbooster vorlegen. Mit einem Qualifizierungsgeld wollen wir besonders vom Strukturwandel betroffene Unternehmen entlasten. Und mit der Bildungszeit ermöglichen wir Beschäftigten mehr Freiraum, um sich weiterzubilden. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung und sorgen dafür, dass die Beschäftigten die Arbeit von morgen schaffen können“, sagt Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil. „Nur mit gut ausgebildeten Fachkräften können wir die herausfordernden Transformationsprozesse erfolgreich gestalten. Deshalb brauchen wir eine nationale Weiterbildungskultur. Mit der gemeinsam mit unseren Partnern weiterentwickelten Nationalen Weiterbildungsstrategie gehen wir jetzt den nächsten Schritt. Mein Haus als Chancenministerium legt den Schwerpunkt darauf, die Zugänge zu Weiterbildung für jede und jeden zu erleichtern, die Aufstiegschancen für alle zu verbessern und ein innovativeres, zukunftsfestes Berufsbildungssystem zu schaffen. Ich möchte betonen: Die akademische und die berufliche Bildung sind unterschiedlich, aber gleichwertig. Beides sind tolle Sprungbretter für ein erfolgreiches Berufsleben. Mit der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung machen wir die Berufsbildung moderner und innovativer, damit sie für die Fachkräfte von morgen noch attraktiver wird“, so Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger.
Bereits seit 2019 gibt es in Deutschland die Nationale Weiterbildungsstrategie. Damals haben die Beteiligten zehn Handlungsfelder ausgemacht und sich auf Maßnahmen sowie Aktivitäten zur Fortentwicklung des Weiterbildungssystems und zur Stärkung der Weiterbildungsstruktur in Deutschland verständigt. Im Juni 2021 wurde dann ein Umsetzungsbericht zur NWS vorlegt, um bisherige Erfolge zu dokumentieren und Wege zur Fortführung des strategischen Ansatzes zur Stärkung der beruflichen und der berufsbezogenen Weiterbildung aufzeigen zu können. Die Arbeit an der NWS wird fortgeführt, es brauche „einen gemeinsamen Kompass und Willen, um die Herausforderungen der digitalen, demografischen und ökologischen Transformation gestalten zu können“, wie in dem Strategiepapier zu lesen ist. Als Zielsetzung wird beschrieben: „Erprobte Instrumente und Konzepte sollen in eine breite Anwendung gebracht und neue Ideen mit Praxis und Wissenschaft diskutiert werden. Zusätzlich soll die allgemeine Weiterbildung als ergänzender Arbeitsschwerpunkt in die NWS einbezogen werden, soweit Schnittstellen zur beruflichen und berufsbezogenen Weiterbildung bestehen.“
Fachkräftemangel dürfte noch größer werden
Obwohl die aktuellen wirtschaftlichen Aussichten schwierig sind, werden gemäß dem Fachkräftemonitoring der Bundesregierung mit Stand Juli 2022 bis 2026 ca. 240.000 Arbeitsplätze nicht mehr besetzt werden können, weil Arbeitskräfte fehlen. Zudem steige der berufliche Mismatch am Arbeitsmarkt durch die zunehmende Gleichzeitigkeit von Fachkräftemangel und Verschiebung des Kompetenzbedarfs in wichtigen Branchen und Regionen („Fachkräfte-Paradox“). Digitalisierung, Dekarbonisierung und der demografische Wandel würden berufliche Engpässe und Passungsprobleme auf dem Arbeitsmarkt verschärfen. Die überwiegende Zahl der Menschen, die im Jahr 2040 erwerbstätig sind, sind bereits heute auf dem Arbeitsmarkt aktiv. Für sie braucht es jetzt die Weichenstellungen, um alle Menschen im Erwerbstätigenalter in ihrer beruflichen Entwicklung bedarfsorientiert zu unterstützen. Dabei sei die Weiterbildung von zentraler Bedeutung, da möglichst alle Menschen für die Arbeit von morgen befähigt werden müssten. Je nach Unternehmensgröße variiert die Beteiligung an Weiterbildungsangeboten. Zudem blicken Wirtschaftsbetriebe auf unsere Zeiten im Zusammenhang zahlreicher Krisen wie der Pandemie, Fachkräftemangel oder Energiekrise. Künftig gelte es daher, „bedarfsorientierte, niedrigschwellige und passfähige Förderangebote und Beratungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, die helfen, sich für eine Weiterbildung zu motivieren und sich die erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen anzueignen“, laut NWS-Papier.
Der NWS-Umsetzungsbericht hat vier Querschnittsthemen definiert, an denen sich die Arbeit des Umsetzungsgremiums orientiert: Zugänge zu Beratung, Förderung und Weiterbildungsangeboten erleichtern; Kooperationen in Regionen und Branchen vertiefen; Konzepte weiterentwickeln; digitale Weiterbildung stärken. Schwerpunkt der NWS bleibe auch weiterhin die berufliche Weiterbildung. Im Rahmen der EU-2030-Strategie hat sich Deutschland das Ziel gesetzt, die Weiterbildungsbeteiligung auf einen Wert von 65 Prozent zu steigern. 60 Prozent der 18- bis 64- Jährigen haben sich laut Adult Education Survey im Jahr 2020 an nonformaler Weiterbildung beteiligt. Die Weiterbildungsbeteiligung unterscheide sich aber erheblich mit Blick auf Qualifikation, Betriebsgröße, Beschäftigung sowie Art, Dauer und Ort der Weiterbildungsangebote. Daher gelte es, „passgenaue Lösungen zu finden, die diesen Bedarfen Rechnung tragen, und damit die Beschäftigungs- und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.“ Künftig sollen Beratungsaktivitäten gestärkt werden, um so eine breit etablierte Kultur der Weiterbildung zu fördern. Förderinstrumente sollen zielgruppengerecht optimiert, bedarfsgerecht weiterentwickelt und Förderlücken geschlossen werden. So soll nach österreichischem Vorbild eine „Bildungs(teil)zeit“ für Beschäftigte finanziell gefördert werden, um selbstbestimmt arbeitsmarktbezogene Weiterbildungsangebote nutzen zu können. Vom Strukturwandel betroffene Betriebe sollen mit einem „Qualifizierungsgeld“ dabei unterstützt werden, ihre Beschäftigten durch Qualifizierung im Betrieb halten und Fachkräfte sichern zu können, auch sollen digitale Weiterbildungsstrukturen intensiver gefördert werden.
NWS eine „gute Nachricht“
Bei Wirtschafts- und Berufsverbänden sorgten die Meldungen rund um die NWS für oftmals positive Rückmeldungen. „Es ist eine gute Nachricht, dass die 2019 von der Bundesregierung initiierte Nationale Weiterbildungsstrategie unter Beteiligung der Wirtschafts- und Sozialpartner fortgesetzt wird. Der ZDH als Partner der Nationalen Weiterbildungsstrategie sieht es besonders positiv, dass sich die Strategie auf die ökologische und digitale Transformation in den Betrieben fokussiert und darauf, die Höhere Berufsbildung zu stärken, das Aufstiegs-Bafög auszubauen und die Weiterbildung zu digitalisieren“, lobt Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks ZDH, die bekannt gegebene Fortsetzung der NWS. Es brauche, auch um die anspruchsvollen und zukunftsweisenden Klima-, Energie- und Verkehrsziele der Bundesregierung zu erreichen, mehr beruflich qualifizierte Fachkräfte, doch seien in der beruflichen Weiterbildung vorhandene Qualifizierungswege sowie deren Fördermöglichkeiten immer noch zu wenig bekannt und nicht ausreichend auf kleinbetriebliche Strukturen ausgelegt. Wollseifer mahnt: „Bei der Umsetzung der Nationalen Weiterbildungsstrategie müssen die Strategiepartner daher nun dafür sorgen, dass die Potenziale von Weiterbildung und die damit verbundenen Entwicklungswege besser sichtbar werden. Wir fordern den Bund und die Länder auf, die Höhere Berufsbildung weiter zu stärken, indem das Aufstiegs-Bafög zeitnah ausgebaut und die neuen Bachelor- und Master-Professional-Abschlüsse flächendeckend eingeführt werden. Außerdem müssen bei der Digitalisierung der Weiterbildung die Kompetenzen der Wirtschafts- und Sozialpartner einbezogen werden, denn sie kennen die diesbezüglichen Bedarfe von Betrieben und Beschäftigten.“
(Christian Esser)